Martha Jungwirth

1940 geboren in Wien
Lebt und arbeitet in Wien und Neumarkt an der Raab (Burgenland), Österreich

Martha Jungwirth

1940 geboren in Wien
Lebt und arbeitet in Wien und Neumarkt an der Raab (Burgenland), Österreich

Persönliche Daten

1956-1963 Studium an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien
1964 Verleihung des Theodor-Körner-Preises
1967-1977 Lehrtätigkeit an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien
1968 Teilnahme an der Ausstellung „Wirklichkeiten“, Wiener Secession (Kurator Otto Breicha)
1977 Teilnahme an der documenta 6, Kassel
1982 Preis des BMUK für Aquarell
1991-1993 Lehrtätigkeit an den Sommerakademien in Salzburg und Berlin
2012 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst


Zum Werk

„Wenn die äußere Bewegung, die Körperbewegung und die innere Bewegung zusammentreffen, und wenn dieses Zusammentreffen glückt, dann geht die Malerei los.“1
Martha Jungwirth

Die Wiener Künstlerin Martha Jungwirth wird in den 1960er Jahren vor allem durch ihre Zeichnungen und Aquarelle bekannt. Sie beginnt mit Selbstportraits und der Darstellung von Alltagsgegenständen, die in der zeichnerisch virtuosen Umsetzung von elektrischen Haushaltsgeräten (Indesit-Serie) gipfelt. Als einzige Frau gehört sie jener losen Gruppierung von Künstlern an, die von Otto Breicha stark gefördert und 1968 in der legendären Ausstellung „Wirklichkeiten“ präsentiert wird (zusammen mit Wolfgang Herzig, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Franz Ringel und Robert Zeppel-Sperl). Diese neue gegenständlich orientierte Kunst nimmt das reale, wirkliche Leben zum Ausgangspunkt und richtet sich gegen die beiden damals in Wien vorherrschenden Kunstströmungen des Informel und des Phantastischen Realismus.

Während Jungwirth in ihren frühen Werken dem Gegenstand noch stärker verhaftet bleibt, löst sich die Form in den 1980er Jahren immer mehr in Richtung Abstraktion und Emotion auf: die Gegenstandsfarbe wird zur Gefühlsfarbe. Durch ihren insgesamt sehr malerischen Umgang mit der Farbe, pointiert gesetzten Farbtupfern und verschwimmenden Flächen, spürt sie der Erinnerung eines Gegenstandes nach oder der Atmosphäre einer bestimmten Naturlandschaft.

Einen besonderen Stellenwert in ihrem Werk nimmt die Serie der 20 großformatigen Aquarelle „Spittelauer Lände“ ein. Sie entstanden in den Monaten Mai und Juni 1993, während Jungwirth ihr Atelier im 5. Stock an der Spittelauer Lände hatte. Beeindruckt vom hohen Standpunkt und vom lauten Treiben auf der Strasse und am Donaukanal, versucht die Künstlerin die wahrgenommenen Bewegungen und Motive so rasch und intensiv wie möglich auf Papier zu bannen. Die Geschwindigkeit des Malprozesses wird in den spontanen und farbenreichen Aquarellen ebenso deutlich, wie die emotionale innere Bewegung der Künstlerin. Sie malt sogar gleichzeitig an mehreren Blättern, die ausgebreitet am Boden liegen und an den Wänden hängen, daher ergibt sich oft der Effekt von herablaufender Farbe.

Bei jedem Bild bleibt sie dabei auf eine bestimmte Ansicht fokussiert, wie man an diesen beiden oben gezeigten Blättern aus der Serie erkennen kann: Im ersten Bild sehen wir ein wildes Knäuel von übereinander gelagerten Farbschlingen, die sich um ein dunkelgraues Zentrum verdichten. Hierin lässt sich der am Donaukanal gegenüberliegende Flakturm erahnen, der wie ein schwarzes Ungetüm markant aus der Umgebung ragt. Das zweite Aquarell dagegen wirkt hell und sommerlich, ist stellenweise zarter im Farbauftrag und vermittelt wie übrigens alle Aquarelle ein offenes System, da viel unbemalte Papierfläche freigelassen wird. Überhaupt ist die ganze Serie von dem großformatigen Industriepapier geprägt, welches nach dem Trocknen besonders harte Farbränder entstehen lässt.

Um die Malerei von Martha Jungwirth richtig zur Geltung zu bringen, spielt vor allem der Bildträger eine wichtige Rolle. Sie verwendet bevorzugt handgeschöpftes Papier aus Indien oder bereits benutztes Papier mit Altersspuren. Die kleinformatigen Aquarelle der Bali-Serie (ab 1993, sowie 1995 und 1997) entstehen zB. auf vorgedruckten und teilweise beschrifteten Lieferbuchseiten einer Brauerei. Neue, intensiv empfundene Eindrücke, die Jungwirth auf ihren zahlreichen Reisen erlebt, werden hier möglichst unmittelbar noch vor Ort in Skizzenbüchern oder wie hier auf die alten Lieferbuchseiten gebracht. Die leuchtenden und durchscheinenden Farbspuren werden wie Akzente auf den linearen Vordruck gesetzt, wobei der Blick auf die alte Beschriftung durchaus sichtbar bleibt.

In ihren neueren Arbeiten, ab etwa 2000 ist die Komposition meist auf ein großes dominierendes Zentrum hin ausgelegt, wobei die Farben eher monochrom gehalten sind. Betrachtet man das Ölgemälde „Kleider für Virginia Woolf“ von 2003, so stellt man fest, dass Bildformat und dargestellte Form einander entsprechen: Eine hochrechteckige rosa-violette Form, verankert am oberen Bildrand, scheint sich nach unten hin tropfend aufzulösen, wobei sich durch die Farbe zum linken Bildrand hin ein räumlicher Eindruck entwickelt. Nach kurzer Zeit kann man hier, trotz der starken Abstraktion, mehrere Kleider hintereinander hängend erblicken.

Annette Stein
 

1) Zit. Cornelia Klinger, „Aus dem Fenster geschaut. Zu Martha Jungwirths Aquarellen von der Spittelauer Lände“, in: Otto Breicha (Hg.), Martha Jungwirth. Spittelauer Lände. Die grossen Aquarelle von 1993, Salzburger Landessammlungen Rupertinum, Salzburg, 1994, S. 2.

Martha Jungwirth und Karlheinz Essl im Essl Museum1 / 7
Elpenor2 / 7
Spittelauerlände, 19933 / 7
Spittelauerlände, 19934 / 7
Bali (Serie), 19935 / 7
Skizzenbuch, 19936 / 7
Kleider für Virginia Woolf, 20037 / 7
Impressum