Gerald Resch (* 1975): Zweige (2011) für Flöte, Klarinette, Violoncello und Klavier
Reinhard Fuchs (* 1974): Invers (2010) für Klarinette, Violine, Viola, Violoncello und Akkordeon
Alexander Stankovski (* 1968): Spiegel-Maske-Gesicht (1997/2011) - UA der Neufassungfür Flöte, Klarinette, Violine, Violoncello, Schlagzeug und Klavier
Jaime Wolfson (* 19??): Recuerdan... (2011) für Sprechstimme und Ensemble Text: Julián Herbert
AUSFÜHRENDE
Ensemble Wiener Collage
Flöte: Wolfgang Zuser Klarinette: Stefan Neubauer Akkordeon: Alfred Melichar Violine: Johannes Dickbauer, Martin Zalodek Viola: Aurore Cany Violoncello: Andrea Obritzhauser, Peter Hudler Klavier: Manon Bancsich, Jaime Wolfson Schlagzeug: Berndt Thurner Dirigent: Jaime Wolfson Sprecherin: Lisi Rombach
WERKEINFÜHRUNGEN
Gerald Resch: Zweige
Die neun Miniaturen, aus denen „Zweige“ besteht, folgen wie oft in meiner Musik einem äußerst einfachen formalen Prinzip:
eingerahmt von zwei Quartetten dem Auf- und Abbau der Besetzung, also: Quartett-Solo-Duo-Trio-Quartett-Trio-Duo-Solo-Quartett.
Gleichzeitig sind die neun Sätze in einen Prozess des permanenten Länger- und wieder Kürzerwerdens eingespannt: Der erste
Satz dauert nur 40 Sekunden, der zentrale fünfte etwa 3 Minuten, der letzte eine genaue Spiegelung des ersten Satzes wiederum
40 Sekunden.
Derartige strenge, eigentlich vormusikalische Entscheidungen verschaffen mir eine vielleicht paradoxe kompositorische Freiheit.
Wenn die Form für sich genommen bereits eine starke Stringenz aufweist, scheint mir, dass sich sehr disparate musikalische
Inhalte mitunter beinahe improvisatorisch einfüllen lassen, ohne dass das Werk als ganzes darüber zerbricht. Zweige ist in
diesem Sinn der Versuch, musikalisch disparate Perspektiven (die allerdings in jedem der neun Sätze für sich genommen sehr
kohärent bleiben) in ein einziges Werk zu fügen, das in seiner Vielgestaltigkeit ein authentischer Ausdruck einer mehrdeutigen
Zeit sein will.
Reinhard Fuchs: Invers
Sowie schon in den letzten Werken interessiert mich in Invers für Klarinette, Akkordeon und Streichtrio das Minimalistische
und die Verlangsamung. Ausgehend von einem einzelnen Ton entwickelt sich das Werk in „mikroskopisch“ kleinen Schritten. Nach
und nach werden rhythmische und harmonische Zellen gebildet, die sich ineinander verschränkt in extremer Verlangsamung
stufenweise vorwärts schieben und das „Innere“ der Klänge freilegen.
Alexander Stankovski: Spiegel Maske Gesicht
Vervielfachung desselben: Immanenz nicht als kompositorisches Ideal, sondern als Ausdruck der Ausweglosigkeit.
Selbstbespiegelung: Fragmente eines eigenen Stückes als Objekte erneuter kompositorischer Auseinandersetzung als Versuch,
persönliche Traditionen zu begründen, da die kollektiven ihre Verbindlichkeit verloren haben.
Musik über Musik: Fremdes als Ausgangspunkt eigener Profilierung das vergangene Eigene als Fremdes.
Zerrspiegel des Bekannten (Debussys Masques).
Demaskierung: Gibt es überhaupt ein 'wahres' Gesicht hinter der Maske?
Nicht ein Gesicht; die Gespaltenheit ist das Gesicht.
Jaime Wolfson: Recuerdan...
Zitate alter Komponisten und deren Stimmungen regen Erinnerungen an. Wie wir erinnern, wie wir unsere Erinnerungen miteinander
vermischen und oft durch Fantasien ergänzen, wie wir sie langsam verlieren, sind die Grundgedanken für dieses Stück.
Kleine Sekunden sind die Grundsteine des Tonmaterials: Chromatik stellt die Verschwommenheit, in welcher die Erinnerungen
sich langsam bewegen, dar. Die Sprechstimme verursacht rasche Reaktionen der Instrumente und beeinflusst den musikalischen
Fortgang. Am Ende sind nur noch Skizzen hörbar, bis die letzten Erinnerungen verlöschen.
Das Werk untersucht den unterschiedlichen östlichen bzw. westlichen Zugang zu künstlerischen Produktionen: der Westen betrachtet
den künstlerischen Output als Ware, die möglichst hohe Verkaufszahlen produzieren sollte; auf der anderen Seite sieht der
Osten das künstlerische Werk als einen Weg, etwas bisher Unbekanntes zu enthüllen, das es vielleicht möglich macht, die innere
Bedeutung des Selbst und seines Lebens zu begreifen.
BIOGRAFIEN
Gerald Resch
Geboren 1975 in Linz. Studierte 1993-2001 in Wien, Köln und Graz Komposition (bei Michael Jarrell, York Höller und Beat Furrer),
außerdem Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte. Mehrmonatige Studienaufenthalte in Berlin (1997), Paris (1998)
und Rom (2000).
Er unterrichtet an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (Formenlehre, Tonsatz und Gehörbildung) sowie an
der Anton Bruckner Privatuniversität Linz (Musikgeschichte und Analyse). Musikkurator des Kunstvereins Wien Alte Schmiede.
Gerald Resch erhielt Kompositionsaufträge u.a. vom Wiener Konzerthaus, Konzerthaus Berlin, Nieuw Ensemble Amsterdam, Festival
Wien Modern/RSO Wien, Ensemble die reihe, Brucknerfest Linz, Gradus ad Parnassum, Klangforum Wien u.a. Er erhielt mehrere
Preise und Stipendien, u.a. den Förderungspreis der Stadt Wien (2011), den Erste Bank Kompositionspreis (2011) und das Wiener
Symphoniker Stipendium (2006). Derzeit arbeitet Gerald Resch an einem Stück für Posaune und Ensemble für das Ensemble Reconsil
(UA in Wellington/Neuseeland) sowie einem Streichquartett für das Quartett LUX (UA in New York).
Reinhard Fuchs
Geboren 1974. Studierte zunächst Akkordeon am Brucknerkonservatorium Linz (1991-1995) und absolvierte anschließend seine kompositorische
Ausbildung bei Michael Jarrell (1996-2002). Von 1997/98 verbrachte Fuchs ein Studienjahr an der University of Miami in Florida.
Weitere wertvolle Impulse für sein Schaffen erhielt er bei Studien u.a. mit Brian Ferneyhough, Marco Stroppa, Magnus Lindberg
und Klaus Huber.
1997 gründete er mit Kollegen die Komponistengruppe GEGENKLANG. Neben Kompositionsaufträgen renommierter Ensembles und Veranstalter
(Salzburger Festspiele (2006), Bayerische Staatsoper (2006), Wittener Tage für neue Musik (2005), Wien Modern (2002/04), Musiktage
Donaueschingen (2003), Konzerthaus Berlin (2002), Klangforum Wien (2001/03/05), Konzerthaus Wien (2001), etc.) kann Reinhard
Fuchs auch auf zahlreiche internationale Preise und Auszeichnungen verweisen. So erhielt er zum Beispiel den 1. Preis beim
7. Mozartkompositionswettbewerb Salzburg, den 2. Preis bei ›stasis et vita, 2001 den Sonderpreis der Fondation Royaumont,
2001 den Theodor-Körner Preis der Stadt Wien, 2002 den Anton-Bruckner-Preis, 2003 das österreichische Staatsstipendium für
Komposition. Im Februar 2008 fand die französische Erstaufführung von Blue Poles für großes Ensemble mit dem Ensemble Intercontemporain
in Paris statt. Seit 2008 Geschäftsführer und gemeinsam mit Simeon Pironkoff künstlerischer Leiter von PHACE | CONTEMPORARY
MUSIC.
2012 findet die Uraufführung der überarbeiten Fassung von ›wo Angst auf Umhülle prallt‹ für Stimme und Orchester mit der Basel
Sinfonietta in der Schweiz statt. Aktuell arbeitet Fuchs an einem Auftragswerk für das Wiener Klaviertrio (UA 2013).
Alexander Stankovski
Geboren 1968 in München, lebt seit 1974 in Wien. Er studierte Komposition an der Wiener Musikhochschule bei Francis Burt und
an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main bei Hans Zender. Daneben nahm er an mehreren Kompositions-
und Analysekursen u.a. bei Karlheinz Füssl, Ulrich Siegele, Karlheinz Stockhausen, Brian Ferneyhough und Gérard Grisey teil.
Er erhielt Kompositionsaufträge von renommierten Institutionen und Ensembles (z.B. Salzburger Landestheater, Alban-Berg-Stiftung,
Klangforum Wien, Ensemble die reihe, ORF, Wiener Konzerthausgesellschaft). Aufführungen bei Festivals wie Wien Modern, Hörgänge,
Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik, Frankfurt Feste, Musikbiennale Berlin, Schönberg Festival Duisburg, Moskauer Herbst oder
Musica Nova Sofia brachten ihm einige Beachtung.
Er erhielt mehrere Stipendien und Preise (1992 Busoni-Förderungsstipendium der Akademie der Künste, Berlin; 1993 und 97 Arbeitsstipendien
der Stadt Wien; 1995 Österreichisches Staatsstipendium für Komponisten; 2000 Kompositionspreis der Erste Bank; 2001 Förderungspreis
der Stadt Wien; 2004 Theodor Körner-Förderungspreis). 1999 war er zusammen mit Renald Deppe künstlerischer Leiter der 12.
Langen Nacht der Neuen Klänge der IGNM im Wiener Konzerthaus.
Stankovski unterrichtete von 1996 bis 2004 als Assistent von Michael Jarrell eine Kompositionsklasse an der Musikuniversität
Wien. Seit 1998 ist er als Privatdozent bzw. Senior Lecturer u.a. für Harmonielehre, Kontrapunkt und Formanalyse an der Kunstuniversität
Graz tätig.
Jaime Wolfson
Der mexikanisch-litauische Pianist, Dirigent und Komponist erhielt seine musikalische Ausbildung an der Bruckner-Universität
Linz und an der Musik Universität Wien u.a. bei Johannes Marian, Leopold Hager, Erwin Ortner und Michael Jarrell. Kurse bei
György Kurtág, Christian Wolf, Georg Nussbaumer, Hans Zender u.a. Theodor Körner Preis 2010. Arbeitsstipendium des BUMKK 2011.
Ehemaliger Stipendiat des Mozart Vereins Wien, Stipendiat der Czibulka-Stiftung und des FONCA-Mexiko. Leiter und Pianist des
Platypus-Ensemble, mit welchem er bei den Klangspuren, bei Wien Modern und auf anderen Festivals konzertierte. Seit 2009 Mitglied
des Ensemble Wiener Collage.
Darüber hinaus Konzerte in vielfältigen Formationen als Kammermusiker und Dirigent in Brasilien, Japan, Mexiko und vielen
Ländern Europas. 2011 studierte Wolfson die Comic Opera “Baron Münchhausen” von Wolfang Mitterer für die Wiener Taschen Oper
und Wien Modern ein.
Ensemble Wiener Collage
Das Ensemble Wiener Collage steht für die Aufführung zeitgenössischer Musik in all ihrer Vielfalt auf höchstem Niveau. Da
das Ensemble aus Mitgliedern der Wiener Philharmoniker einerseits und exzellenten freischaffenden Musikern der Neue-Musik-Szene
andererseits zusammengesetzt ist, kommt es zum permanenten Aufeinandertreffen einander ergänzender Musizier-Charaktere.
Prägend für den „Sound“ des Ensemble Wiener Collage ist die gemeinsame Basis einer typisch wienerischen Klangkultur, die bereichert
wird durch mannigfaltige Erweiterungen in alle Bereiche der zeitgenössischen Moderne.
Diese Haltung zeichnet das Ensemble Wiener Collage zum hervorragenden Ensemble für die Interpretation der Musik der Zweiten
Wiener Schule und ihrer Nachfolger aus, was sich unter anderem in einer jahrelangen Zusammenarbeit mit dem Arnold Schönberg
Center Wien dokumentiert („Ensemble in Residence“ seit 1998).
Vor allem aber widmet sich das Ensemble Wiener Collage der zeitgenössischen Musik: anders als die meisten Spezialistenensembles
neuer Musik steht das Ensemble Wiener Collage in konstantem jahrelangen Kontakt zu den Komponisten, an deren Musik es glaubt.
Auf diese Weise entstanden in den bald 25 Jahren seiner Tätigkeit an die 200 neue Werke für oft sehr ungewöhnliche Besetzungen.
Obwohl die undirigierte Kammermusik einen Schwerpunkt in der Arbeit des Ensemble Wiener Collage darstellt, suchen immer wieder
namhafte Dirigenten die Zusammenarbeit mit dem Ensemble Wiener Collage (Gastdirigate unter anderem von Pierre Boulez, Friedrich
Cerha und Erich Urbanner). Außerdem bereichern Gäste wie Anja Silja, Sylvie Rohrer, Ildikó Raimondi oder Alexis Hauser die
Tätigkeit des Ensembles.