ADVENTKONZERT 2007

Zwischen Himmel und Erde

ADVENTKONZERT 2007

Zwischen Himmel und Erde
Sa, 01.12.2007, 19:30 Uhr

Das Schömer-Haus

Der Blick zum gestirnten Himmel fasziniert seit jeher: Die Erkenntnis der eigenen Kleinheit verbindet sich mit der Gewissheit, Teil eines kosmischen Ganzen zu sein. Johannes Kepler formulierte dies in seinem "Mysterium Cosmographicum" (1596) als mathematisches Modell, das Günter Kahowez als Inspirationsquelle diente.
Der Blick zum gestirnten Himmel fasziniert seit jeher: Die Erkenntnis der eigenen Kleinheit verbindet sich mit der Gewissheit, Teil eines kosmischen Ganzen zu sein.

Johannes Kepler formulierte dies in seinem Mysterium Cosmographicum (1596) als mathematisches Modell, das Günter Kahowez als Inspirationsquelle für seine gleichnamige Komposition diente. Axel Seidelmann hingegen findet im Tonga-Concerto durchaus irdische Bezugspunkte in der afrikanischen Musik und der zeitgenössischen Kunst. Die Verbindung zwischen Himmel und Erde stellt der Klang einer Kirchenglocke dar, die Karlheinz Essl als Ausgangsmaterial seiner elektronischen Klangperformance Sonnez la cloche! dient.

Wir freuen uns, an diesem Abend wieder einmal das Ensemble XX. Jahrhundert unter der Leitung von Peter Burwik bei uns zu Gast zu haben und bedanken uns bei den Komponisten Günter Kahowez und Axel Seidelmann, die eigens für diesen Abend zwei neue Stücke dem SCHÖMER-HAUS auf den Leib geschrieben haben.

Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Essl
Musikintendant der Sammlung Essl


Programm

Axel Seidelmann (* 1954): Tonga-Concerto (2007)
für Ensemble - Uraufführung

Karlheinz Essl (* 1960): Sonnez la cloche! (2003/2004)
electronic sound performance

Günter Kahowez (* 1940): Mysterium cosmographicum (2006 f.)
Konzert für 10 Instrumente - Uraufführung des 1. Teils


Ausführende

Ensemble XX. Jahrhundert (Wien)
Dir. Peter Burwik

Karlheinz Essl: Computer & Live-Elektronik



WERKEINFÜHRUNGEN


Axel Seidelmann: Tonga-Concerto

Ein Concerto: Soli gegen ritornellartiges Tutti, klassische Dreisätzigkeit, zugleich Variationen und über-geordnetes Ganzes. Doch dies ist nur der Rahmen, nicht das Stück.
Die entscheidenden Anregungen kamen einerseits von der faszinierenden, spontan improvisierten Mehrstimmigkeit innerafrikanischer oder polynesischer Völker, wie der verschiedenen Pygmäenstämme oder der Tongas, häufig dargeboten auf Blas- und Zupfinstrumenten, andererseits aus dem Action Painting etwa eines Jackson Pollock, welches den Malprozess als Explosion begreift.

Am Beginn der Konzeption standen scheinbar unvereinbare Gegensätze: Pentatonik gegen Atonalität, Ostinati gegen Reihentechniken, Entwicklung gegen Stagnation, Spontaneität gegen Konstruktion. Sie zu vereinen entpuppte sich als Herausforderung.

Das Stück ist vielschichtig, dicht: Kantilenen, Arabesken und Akkordschichtungen werden wie gebrochenes Licht in andere Ebenen reflektiert, selbst in leisesten Passagen durchdringen einander noch verschiedene pianissimo-Horizonte. Eine 18-tönige Grundreihe durchläuft ständige Metamorphosen, bildet sowohl melodische Linien und Gewebe als auch Akkordstrukturen, Patterns und flächige Klänge. Sie prägt auch den formalen Ablauf, bestimmt Abschnitte und Details.

Rituelles wechselt mit expressiven Gesten, dramatische Ausbrüche mit stillen, kontem-plativen Abschnitten, Aufbau mit Fragmentierung. Im letzten Satz zerbirst das Stück, eine letzte Woge schwappt die Trümmer weg, es bleibt Erinnerung, grau wie durch das Knistern und Rauschen eines Senders bei gestörtem Empfang…


Karlheinz Essl: Sonnez la cloche!

Das akustische Ausgangsmaterial dieser Komposition bildet die Tonaufnahme dreier aufeinanderfolgenden Schläge der Evangelischen Kirche in Klosterneuburg. Dieses Klangsample wird in ein von Karlheinz Essl in Max/MSP geschriebenes Computerprogramm eingespeist und dort vielfältigsten kompositorischen Prozessen unterworfen, die im Moment der Aufführung vom Komponisten mit Hilfe von verschiedenen am Computer angeschlossenen Reglern gesteuert werden können. Dadurch ist Sonnez la cloche! nicht nur eine Klangkomposition, sondern zugleich auch ein Instrument, auf dem dieses Stück in verschiedenen Varianten gespielt werden kann.

Der Titel ist dem Ulysses von James Joyce entlehnt und stammt aus der Sirenen-Episode (Kapitel XI), die von Joyce selbst als „fuga per canonem“ gestaltet wurde. Darin wird die Doppeldeutigkeit von „la cloche“ virtuos inszeniert, denn dieses Wort bedeutet nicht nur Glocke, sondern auch – Strumpfband.


Günter Kahowez: Mysterium cosmographicum [Das kosmographische Geheimnis]

Mit 25 Jahren veröffentlichte Johannes Kepler sein erstes Buch Mysterium cosmographicum 1596 in Graz, wo er bis zu seiner Vertreibung als Protestant an einem Gymnasium (evangelische Stiftsschule) Mathematik und Astronomie unterrichtete. In diesem Buch sind bereits alle späteren mathematischen, astronomischen und philosophischen Ideen im Grunde skizziert, die dann in dem monumentalen fünfteiligen Hauptwerk Harmonices mundi (Linz, 1612–1618) ihren Höhepunkt fanden.

Ich arbeite nun an einem „work in progress“, das als Konzert in zwei Teilen mit 13 Sätzen eine mehr als einstündige Dauer bekommen sollte. Als erster Teilbereich sind nun die drei oben genannten Sätze per Computer nach meinem Autograph hergestellt worden. Die Sätze Mond, Mars und Asteroiden sind derzeit in Arbeit und formen mit Merkur, Venus und Sonne den 1. Teil. Für Keplers heliozentrisches Weltbild war die Sonne mit den sie in Ellipsen umkreisenden Himmelskörpern der eigentliche Makrokosmos und ein göttliches Geheimnis. Für mich als Mensch im Jahr 2007 hat sich das Mysterium des Makrokosmos’ um eine astronomisch hohe Potenz vergrößert und verwandelt.

Was für Keplers Weltharmonik die Planeten, die Kristallformen, die astrologischen Energien und die Geheimnisse der musikalischen Intervalle waren (siehe 3. Buch der Harmonices mundi), sind für mich die Geheimnisse der Galaxien (wie unsere Milchstraße oder der Andromeda-Nebel), der sogenannten Dunkelmaterie, der Pulsare, Quasare, der „Schwarzen Löcher" und der Anti-Materie. Leider ist hier nicht der Platz gegeben, um diese astronomischen Fachwörter näher zu erklären. Über Noten meiner expressiven Musik möchte ich nur einiges mitteilen, um dem Hörer nicht „vorgekaute“ Assoziationen zu vermitteln.

Die Sätze können in beliebiger Reihenfolge und beliebiger Anzahl zusammengestellt werden. Außer den sechs Sätzen des 1. Teils wird der 2. Teil sich mit den äußeren Planeten befassen: Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto-Charon, dem Kuiper-Gürtel und Kometen .

Ich habe vielfach mit Hilfe der „magischen Quadrate“ komponiert. Da ergeben sich bei Sonne insgesamt 12 Möglichkeiten von Reihenbildungen. Der Sonne wurde in der alten Geheimlehre die Zahl 6 zugeordnet. Tatsächlich mache ich in diesem Satz öfters Gebrauch von der 6-tönigen Ganztonleiter. Bei Venus – Zahl 7 – verwendete ich eine heptatonische Skala (schön zu hören in den Röhrenglocken am Beginn der Coda), und bei Merkur – Zahl 8 – eine oktatonische Skala.

Das Studium der Spätwerke Anton von Weberns und Karl Schiskes ist für mich das, was für Bruckner Beethoven und Palestrina bedeuteten. Immer wieder verwende ich Kanons, Umkehrungskanons, sowie Krebs und Krebsumkehrung. Meine Musik hat jedoch nichts mit Zwölftonmusik zu tun. Jeder Satz hat einen Solopart. Bei Merkur ist es die Flöte, bei Venus Oboe, bei Sonne die Trompete zusammen mit Bratsche (für den Mond), bei Mars die Posaune... So erklärt sich auch das Wort „Konzert“.



Biographien


Axel Seidelmann

Geboren 1954 in Linz. Der Matura am Akademischen Gymnasium Linz folgten Studien an der Wiener Musikhochschule (Komposition, Dirigieren, Violine, Klavier, Musikpädagogik) und an der Universität Wien (Musikwissenschaft, Geschichte, Kunstgeschichte). Neben der anfänglichen Tätigkeit als Violinlehrer und Mittelschullehrer (Fächer: Musik, Geschichte). Wirken als Dirigent und Ensembleleiter. Veranstaltung von Konzertreihen zeitgenössischer Musik („Wiener Musikforum“). Seit 1988 Lehrer für Harmonielehre/Kontrapunkt an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Gründung der Studienrichtung „Tonmeister“, seit 2002 Ordinarius und bis 2006 Vorstand des Instituts für Komposition und Elektroakustik.

Das kompositorische Schaffen umfaßt Bühnenwerke (darunter die Kirchenoper Hiob), Orchester- und Ensemblewerke, Chor- und Kammermusik. Aufführungen im In- und Ausland, Rundfunkaufnahmen, Preise und Stipendien sowie Kompositionsaufträge namhafter Veranstalter und Ensembles (Stadt Wien, LIVA-Brucknerfest Linz, Wiener Konzerthaus, Ensemble XX. Jahrhunderts etc.).


Karlheinz Essl

Geboren 1960 in Wien. Studierte Musikwissenschaften und Kunstgeschichte an der Universität Wien (Promotion 1989 über Das Synthese-Denken bei Anton Webern) sowie Komposition bei Friedrich Cerha und elektro-akustische Musik bei Dieter Kaufmann. Arbeitet als Komponist, Medienkünstler, Elektronik-Performer, Musikkurator und Kompositionslehrer.

1990–94 composer-in-residence bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. 1992/93 Realisierung eines Kompositionsauftrages des IRCAM in Paris. Unterrichtete zwischen 1995–2006 „Algorithmic Composition“ an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. 1997 Komponistenportrait bei den Salzburger Festspielen in der Reihe „next generation“. 2004 Würdigungspreis des Landes Niederösterreich für Musik. Seit 2007 Kompositionsprofessor für elektro-akustische und experimentelle Musik an der Musikuniversität Wien.

Entwickelt neben Instrumentalwerken und Kompositionen mit Live-Elektronik auch generative Kompositionssoftware, Improvisationskonzepte, Klanginstallationen, Performances sowie Internet-Projekte. Ständige Auftritte als Live-Performer mit seinem selbstentwickelten computer-basierten Meta-Instrument m@ze°2.


Günter Kahowez

Geboren 1940 in Vöcklabruck, absolvierte er seine Gymnasialzeit und Lehrerausbildung in Linz. Zwischen 1957–60 studierte er am Linzer Bruckner-Konservatorium Musiktheorie bei Helmut Eder, anschließend an der Musikakademie in Wien Komposition bei Karl Schiske, Zwölftonkomposition bei Hanns Jelinek sowie Schlagzeug bei Richard Hochrainer. 1961–69 nahm er mehrmals an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil und hatte dort Unterricht bei Karlheinz Stockhausen, Olivier Messiaen, Mauricio Kagel, György Ligeti, David Tudor und Earle Brown.

Während seiner Studienzeit war er Schlagzeuger und Celestaspieler im Ensemble „die reihe“ und Musikrezensent und Archivar bei der Grazer „Kleinen Zeitung“. Von 1969–93 arbeitete er als Notengraphiker und Musikkorrektor bei der Universal Edition in Wien. Von 1988–94 war er Lehrbeauftragter und seit 1994 Professor für Formanalyse an der Universität für Musik und darstellende Kunst.

Sein kompositorisches Verzeichnis umfasst 70 Instrumental- und Vokalwerke, die u.a. bei den Wiener Festwochen, dem Grazer Musikprotokoll und beim Festival WIEN MODERN aufgeführt wurden. 1992 wurde Kahowez mit dem oberösterreichischen Landeskulturpreis ausgezeichnet.


ensemble xx. jahrhundert

Das 1971 von Peter Burwik gegründete Solisten-Ensemble formiert sich aus ersten Mitgliedern der großen Wiener Orchester und freischaffenden Instrumentalisten. Sein Ziel ist es, die Musik des 20. Jahrhunderts bekannt zu machen und das Gegenwartsschaffen zu fördern. Unter diesem Aspekt wurden und werden zahlreiche Kompositionsaufträge an in- und ausländische Komponisten vergeben.

Einen wesentlichen Schwerpunkt seiner Arbeit bildet die Auseinandersetzung mit dem Schaffen von Schönberg, Berg und Webern – und folglich reicht sein Repertoire von der „Wiener Schule“ und Vertretern der klassischen Moderne bis hin zu Berio, Boulez, Saariaho, Stockhausen, Pärt, Huber...

Zahlreiche Vertreter des internationalen Gegenwartsschaffens wurden vom ensemble xx. jahrhundert in Wien erstmals umfassend in Portrait-Konzerten vorgestellt, etwa Steve Reich, Vinko Globokar, Morton Feldmann, Younghi Pagh-Paan, Emanuel Nunes und Barbara Kolb.

Das Ensemble blickt seit seiner Gründung auf eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland zurück.. Neben zahlreichen Auftritten in Wien - im Wiener Konzerthaus, im Rahmen der Wiener Festwochen, beim Festival WIEN MODERN oder im ORF, war das Ensemble auch oftmals in den Bundesländern zu Gast (Steirischer Herbst, Carinthischer Sommer, Linzer Brucknerfest). Darüber hinaus wurden auf Konzertreisen in Frankreich, Belgien, Polen, Deutschland, Schweden, Mexico, England, Rußland, Aserbaidjan, Taiwan, Kuba und in der Schweiz wichtige aktuelle Programme präsentiert.

Von den zahlreichen internationalen Festivals, zu denen das Ensemble eingeladen war, seien nur die Salzburger Festspiele, die Wiener Festwochen, das Edinburgh-Festival, die Berliner Festspiele, das Hongkong Arts Festival, jenes von Huddersfield, der Warschauer Herbst, „Musica“ in Strasbourg und das Enescu-Festival in Bukarest, erwähnt.

Nach der Uraufführung von Franz Koglmanns Oper Fear Death by Wate 2003 im Wiener MuseumsQuartier beschäftigte sich das Ensemble verstärkt mit der Präsentation grenz- und genreüberschreitender Kompositionen – wesentliche Resultate vom Projekt mit „Alter Wiener Musik“, bei dem Komponisten unterschiedlichster stilistischer Positionen zur Auseinandersetzung mit originalem Volksliedgut animiert wurden, sind inzwischen auf CD veröffentlicht worden.

Nach der Veröffentlichung einer weiteren CD mit Werken von Johannes Maria Staud, Erich Urbanner, Karlheinz Essl und Fritz Heinrich Klein konzertierte das Ensemble erstmals im Parlament in Wien. Von den für das Jahr 2006 projektierten Vorhaben seien besonders Konzertreisen nach Lateinamerika und New York sowie fünf Uraufführungen erwähnt, die in Verbindung mit dem Wiener Mozartjahr in Auftrag gegeben wurden.


Peter Burwik

studierte bei Hans Swarowsky in Wien und promovierte zum Doktor der Theaterwissenschaften an der Universität Wien. Weiterführende Studien und enge Zusammenarbeit mit Bruno Maderna in Salzburg und Darmstadt beeinflußten seine musikalische Entwicklung gleichermaßen nachhaltig.

1971 gründete er das ensemble xx. jahrhundert in Wien; seither war er auch Gast bedeutender Orchester im In- und Ausland (Wiener Symphoniker, RSO Berlin, Orchestre Philharmonique Paris, WOS Katowice, NDR-Symphonieorchester Hamburg, ORF-Symphonieorchester, Symphonieorchester des SF-Stuttgart, Rundfunkorchester in Lissabon und Orchestre National de Lille) und bei Musiktheater-produktionen (Wien, Hongkong, Helsinki). 1991 bis 1994 war er ständiger Gastdirigent der Mährischen Staatsphilharmonie.

Zwischen 1987-2007 unterrichtete Peter Burwik „Interpretation und Aufführungspraxis Neuer Musik“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und entfaltete daneben eine internationale Unterrichtstätigkeit (Santiago, Caracas, Havanna, Dartington).
1 / 1
Impressum