Uraufführung von Manuela Kerers „chiaroscuro” für 5 Stimmen und 7 Instrumente
So, 16.11.2014, 19:30 Uhr
Das Schömer-Haus
Es sind Schatten, die die Höhle in Platons Gleichnis bewohnen. Jedenfalls denken das die Menschen, die dort gefesselt sitzen
und nur die Wand sehen. Hinter ihnen ein Feuer, das Abbilder ihrer selbst an die Wand wirft: ihre Wirklichkeit. Einer wird
befreit und gezwungen, Feuer, Licht und die wirklichen Dinge zu sehen. Eintritt frei!
Es sind Schatten, die die Höhle in Platons Gleichnis bewohnen. Jedenfalls denken das die Menschen, die dort gefesselt sitzen
und nur die Wand sehen. Hinter ihnen ein Feuer, das Abbilder ihrer selbst an die Wand wirft: ihre Wirklichkeit. Einer wird
befreit und gezwungen, Feuer, Licht und die wirklichen Dinge zu sehen. Das schmerzt ihn und er kann, weil seine Augen nicht
an das Licht gewöhnt sind, nur verschwommene Umrisse sehen und sie zunächst nicht als wahr akzeptieren. Er muss aus der Höhle
treten und in das Sonnenlicht sehen. Erst langsam erkennt er, dass die Höhlenschatten nur Abbilder und nicht die wahren Dinge
sind. Er berichtet es den anderen Höhlenbewohnern. „Verrückt“ sagen die nur und lachen ihn aus.
Und wir? Was ist mit uns? Wo kauern, was sehen wir? Wollen wir einen Aufstieg aus der sinnlich wahrnehmbaren Welt der vergänglichen
Dinge – aus der Höhle? Wollen wir in die rein geistige Welt des unwandelbaren Seins? Uns dazu zwingen?
„Und wie, wenn ihr Kerker auch einen Widerhall hätte von drüben her, meinst du, wenn einer von den Vorübergehenden spräche,
sie würden denken, etwas anderes rede als der eben vorübergehende Schatten?“
Platon, Politeia VII (Übersetzung: Friedrich Schleiermacher)
Ich weiß es nicht. Auch werte ich nicht. Ich komponiere. Und stelle neue Fragen. Kassenbons fließen in die Partitur. Sie wurden
weltweit gesammelt. Sind sie die Schatten unserer heutigen Welt? Gleichnis wofür? Sinnliche Erfüllung oder geistige Erkenntnis?
Konsumrausch oder ethisch-tautologischer Clinch? Dualismus oder Einheit? Kausaler Zusammenhang ohne chronologische Ordnung?
Ökonomische, ökologische und soziale Kosten kann ich nicht minimieren. Ich werfe Äpfel, Schatten, Socken, Erfahrung, Annahme,
Augenschein, Behauptung, Malerfarbe, Schmerzen, Klopapier, Feuer, Cappuccino, Ideen, Milch oder Licht in einen klanglichen
Topf und rühre kräftig um. chiaroscuro ist subtiler Klang. Abbilder werden darin zu musikalischen Inspirationsquellen, die
Ideenlehre zu klanglicher Momentaufnahme. Feuer ist unkontrollierbares Geräusch. Das Schömer Haus in seiner akustisch-architektonischen
Weitläufigkeit wird ideell-musikalisch zu Höhle / Umkleide / Erkenntnisweg / Spielraum. Die Musiker_innen: seelisch-geistige
Konsumenten.
„Und zuerst würde er Schatten am leichtesten erkennen, hernach die Bilder der Menschen und der andern Dinge im Wasser, und
dann erst sie selbst.“
Platon, Politeia VII (Übersetzung: Friedrich Schleiermacher)
Dies ist kein Beipackzettel und Antworten auf die obigen Fragen gibt es weder hier noch dann, in chiaroscuro. Hier werden
Sie nicht geholfen, hier bin ich und sind Sie eventuell Mensch und wir müssen schon vermutlich gefälligst wenn möglich selber
einen gedanklichen Beitrag zur Musik leisten. Im platonischen Sinne.
Manuela Kerer
Manuela Kerer, 1980 in Südtirol geboren – Komponistin, Psychologin und Juristin – staunt gern und ist ständig auf der Suche nach neuen
Klängen, Überraschungen und Herausforderungen. Sie interessiert sich für völlig konträre Bereiche und beschäftigt sich dabei
letztlich immer mit dem Selben – der Musik. So schloss sie die Studien der Komposition und IGP Violine, der Rechtswissenschaften
und der Psychologie an der Universität Innsbruck ab. Weiterführende Kompositionsstudien führten sie zu Alessandro Solbiati
nach Mailand. Derzeit arbeitet sie an einer Dissertation über Musik und Demenz im Fach Psychologie und an einer Dissertation
über die Entwicklung der Rechte von Komponistinnen und Komponisten im Fach Jura. Manuela Kerer wurde 2009 vom Ausschuss der
Europaregionen als eines von europaweit 100 „young creative talents“ ausgewählt. In den letzten Jahren erhielt sie u.a. das
„Höchstbegabtenstipendium“ des Rotary Club Innsbruck (2007), das Österreichische Staatsstipendium für Komposition (2008 und
2011), den „Walther von der Vogelweide-Preis“ 2009, den SKE Publicity Preis 2011 und den Emil-Berlanda Preis 2011. Werke von
Manuela Kerer entstanden für Ensembles wie das „Solistenensemble Kaleidoskop Berlin“, „die reihe“, „Bayerische Kammerphilharmonie“,
„ascolta“ und Ausnahmekünstler wie Julius Berger, Bojidara Kouzmanova oder Alfonso Alberti. Ihre Stücke wurden auf zahlreichen
CDs eingespielt, eine Porträt-CD erschien im Rahmen der ORF Edition „Zeitton“. Bei der Münchener Biennale 2012 war sie eine
der Komponist_innen von „Nucleus“, ihr jüngstes Musiktheaterstück „Dem Weggehen zugewandt“ wurde 2013 auf Kampnagel in Hamburg
(Premiere), im Radialsystem Berlin und in Hellerau Dresden aufgeführt.