ANSELM KIEFER UND ZEITGENOSSEN

Neuankäufe der Sammlung Essl
Kurator: Andreas Hoffer

ANSELM KIEFER UND ZEITGENOSSEN

Neuankäufe der Sammlung Essl
Jährlich präsentiert die Sammlung Essl eine Auswahl an Neuankäufen. Es ist eine zentrale Aufgabe des Museums anhand von Ausstellungen darüber zu informieren, dass die Sammlung aktiv wächst und wo die Schwerpunkte bei den Neuerwerbungen liegen.

Jährlich präsentiert die Sammlung Essl eine Auswahl an Neuankäufen. Es ist eine zentrale Aufgabe des Museums anhand von Ausstellungen darüber zu informieren, dass die Sammlung aktiv wächst und wo die Schwerpunkte bei den Neuerwerbungen liegen. Im letzten Jahr hat der Sammler Karlheinz Essl dafür im Großen Saal in opulenter Fülle einen vielschichtigen Einblick in die Depots gewählt.

Anselm Kiefers monumentales Werk Horlogium (Sternenfall) von 2003 ist diesmal Zentrum der Ausstellung. Nach vielen Gesprächen und Besuchen bei dem Künstler in Frankreich ist es dem Sammler gelungen, ein spätes Hauptwerk, eine großformatige Leinwand und 12 Bleibücher, zu erwerben. Damit ist es zum ersten Mal seit langer Zeit möglich, ein wichtiges Werk dieses umstrittenen Stars der internationalen zeitgenössischen Kunst in Österreich zu zeigen und zur Diskussion zu stellen. Die sensible künstlerische Auseinandersetzung mit Material und Bildoberflächen bei Anselm Kiefer, aber auch seine Reflexion deutscher Geschichte und Mythen bilden den inhaltlichen Focus für die Auswahl weiterer Neuankäufe in dieser Schau.
 

Werke von Georg Baselitz, Per Kirkeby, Sigmar Polke, Antoni Tàpies, und Günter Uecker, - alles Zeitgenossen von Anselm Kiefer - treten miteinander in Dialog, die unterschiedlichen Auffassungen in der Behandlung von Farbe, Material, Oberfläche und Erzählung können verglichen werden. Zu entdecken ist die monumentale archaische Präsenz in der Verwendung von Material bei dem wichtigen fünfteiligen Alterswerk von Antoni Tàpies, Dietari, im Vergleich mit Kiefers vielschichtigem Werk. Die Verwendung "armer" Materialien, wie bei den Bleibüchern von Kiefer, ist auch für Günter Uecker bezeichnend. Vom Minimalismus der 1960er Jahre beeinflusst erzeugt er mit Nägeln und Baumstammteilen einen fünfteiligen Wald.

Die Auseinandersetzung mit zarter Farbsetzung und leerem weißem Malgrund ist für die kleinen Gouachen von Per Kirkeby kennzeichnend. Bei den neueren großformatigen Aquarellen von Georg Baselitz überrascht eine ähnliche Leichtigkeit; sein früheres Werk war von rohem, alles erfüllendem Malfluss bestimmt. Baselitz galt in den 1980er Jahren vielen neben Kiefer und Lüpertz, als typischer Vertreter einer als deutsch klassifizierten Kunst.
 

Sigmar Polke pflegt einen experimentellen Umgang mit den Möglichkeiten der Malerei. Er verwendet ungewöhnliche Materialien, bei dem Werk Für den dritten Stand bleiben nur noch die Krümel, ist es ein transluzider Malgrund. Der Künstler hat, im Gegensatz zu Tàpies und Kiefer, Malerei vielmehr als Forschungsobjekt gesehen und ständig das Infragestellen von Traditionen (auch der eigenen) betrieben. Die oft ironische Widersetzung traditioneller Erzählstrukturen im Werk von Sigmar Polke wird von seinen Bildtiteln verstärkt.
 

Eine narrative Aufladung der Kunst mit Motiven und Versatzstücken deutscher Geschichte findet sich sowohl im Werk von Anselm Kiefer als auch bei dem jungen Jonathan Meese. Beide Künstler setzen diese aber höchst unterschiedlich ein.
 

Während Kiefer gerade mit der scheinbar ungebrochenen Monumentalisierung von Mythen und (deutscher) Naturempfindung arbeitet, sampelt Meese frech und dynamisch den Fundus der Geschichte ohne Trennung von Erlaubtem und Verbotenen, er treibt sein narzistisches Spiel mit ihnen. Ihm inhaltlich viel näher scheint die Arbeitsweise von Franz West, für den es auch keine Unterscheidung von Bedeutendem und Unbedeutendem in der Verwendung von Materialien und Inhalten zu geben scheint, West ist mit zwei Papiermaché Skulpturen vertreten.

Eine klar definierte Grenze von Bild, Objekt und Skulptur gibt es bei den Scheiben von Anish Kapoor nicht. Er arbeitet bewusst nicht mit der Reizüberflutung und dem Einsatz alltäglicher Materialien sondern mit asketischer Reduzierung auf ästhetische Materialwirkung. Der Besucher spiegelt sich in der überdimensionalen Schale aus bemaltem Aluminium, wird aber auch gleichsam von der konkaven Form aufgesogen.

SIGMAR POLKE: Für den Dritten Stand bleiben nur noch die Krümel (1997)1 / 3
Anselm Kiefer, Horlogium (2003) - Detailansicht2 / 3
Ausstellungsansicht3 / 3
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