Claudius von Wrochem: Violoncello, Jap-Fiddle, Live-Elektronik
Karlheinz Essl: Live-Elektronik
PROGRAMM
Karlheinz Essl (* 1960): Sequitur IV (2008)
für Cello mit Live-Elektronik
Giorgio Netti (* 1963): tête (2009) aus dem "ciclo dell' assedio"
für Cello solo mit aufgenommener Stimme
Claudius von Wrochem (* 1965): Szenische Improvisation (2009)
für rotierende Jap-Fiddle
Sergej Newski (* 1972): Rost (2007) für Cello solo
Julio Estrada (* 1943): Yuunohui‘yei (1983)
für Cello solo
Ein außerordentlich abwechslungsreiches Programm, in dem das Violoncello - bekannt für seinen warmen und ausdrucksvollen Klang
- höchst unkonventionell behandelt wird: Bei Giorgio Netti wird das mit einer Metallzunge präparierte Cello gezupft und geschlagen;
Julio Estrada gelangt durch exakteste Determinierung der verschiedenen Spielparameter zu einer Musik von enormer Urtümlichkeit
und Wildheit, jenseits des Gewohnten und Liebgewonnenen. Sergej Newski unterwirft das Cello klanglichen Zersetzungsprozessen,
während Karlheinz Essl mithilfe der Live-Elektronik ein musikalisches Spiegelkabinett inszeniert. Neben diesen komponierten
Werken improvisiert der Berliner Cellist Claudius von Wrochem auf der Jap- Fiddle, einem einsaitigen Trichterinstrument aus
der Frühzeit der Aufnahmetechnik.
WERKKOMMENTARE
tête von Giorgio Netto wird ausschließlich gezupft und geschlagen: auf einem mit einer Metallzunge präpariertem Instrument.
Vom Band kommt die Stimme des 1969 verstorbenen schweizerischen Bildhauers Alberto Giacometti; diese wurde mehrfach aus dem
Inneren eines Cellos aufgenommen und abgespielt, so dass die Stimme zunehmend und im wahrsten Sinne des Wortes liquidiert
wird. Das Solocello spielt dazu eine Begleitung mit der Virtuosität eines Rap-Songs.
Essls und Estradas Stücke entstammen jeweils einer Werkserie. Bei Essls Sequitur IV geht es um die Idee einer Live-Elektronik,
die dem Spieler kommentierend folgt und – was in diesem Genre ungewöhnlich ist – von ihm selbst gesteuert wird. Estrada hat
in seiner Yuunohui-Serie alle Parameter des Instrumentalspiels von x/y-Graphen determinieren lassen; d.h. Fingeraufsatz, Bogenwechsel,
Tonhöhen und -längen, Vibratotempo, Pizzicato, Doppelgriffigkeit sind allesamt unabhängig voneinander. Dies führt erstaunlicherweise
zu einer Musik von enormer Urtümlichkeit und Wildheit, fernab von überkommenen formalen oder klanglichen Regeln.
Für Rost von Sergej Newski gilt "nomen est omen": Der Klang eines Streichinstruments, besonders eines der tiefen, eignet sich
hervorragend, eine tragfähige, jedoch im Prozess der Zersetzung befindliche Substanz hörbar zu machen.
Mit der Improvisation wird auf den Raum und auf die anderen Stücke Bezug genommen. Die Jap-Fiddle ist ein einsaitiges Trichterinstrument
aus der Frühzeit der Aufnahmetechnik. Derartige Instrumente wurden verwendet, um direkt in den Trichter des Aufnahme-Grammophons
spielen zu können. Damit setze ich der elektrisch/elektronischen Klangverwandlung bei Essl sowie der mechanischen bei Netti
eine weitere Variante gegenüber.
Claudius von Wrochem
CLAUDIUS VON WROCHEM
Studierte Violoncello bei Peter Mann in Berlin und George Neikrug in Boston/USA. Meisterkurse besuchte er bei Neikrug, Uzi
Wiesel und Werner Thomas. Die Kammermusik stand von Anfang an im Mittelpunkt seiner Tätigkeit, die von der Barockmusik bis
zur Gegenwart reicht.
Im Kairos Quartett fungiert er seit Gründung des Ensembles als einer der beiden Geschäftsführer.
Er war Mitglied der auf Musik des 20. Jahrhunderts spezialisierten Ensembles work in progress Berlin und UnitedBerlin. Mit
letzterem Ensemble nahm er etliche CDs auf, unternahm Konzertreisen bis nach Brasilien und führte nahezu sämtliche Ensemblewerke
der Neuen Wiener Schule auf.
Claudius von Wrochem war an über 100 Uraufführungen von Solo-, Kammermusik- und Ensemblewerken beteiligt. Weitere Tätigkeitsfelder
sind die Freie Improvisation (auch mit der eigenen Stimme), die historisierende Aufführungspraxis barocker und klassischer
Musik in verschiedenen Besetzungen (z.B. als Duo Four Eyes mit der Bratschistin Simone Heilgendorff), und die Instrumentalpädagogik.
Seit 2009 ist er künstlerischer Geschäftsführer des IZZM (Internationales Zentrum für zeitgenössische Musik) in Kärnten