Bruno Gironcoli

1936 geboren in Villach (Kärnten), Österreich
2010 gestorben in Wien

Bruno Gironcoli

1936 geboren in Villach (Kärnten), Österreich
2010 gestorben in Wien

Persönliche Daten

1951-56 Goldschmiedelehre in Innsbruck
1957-62 Studium der Malerei an der Hochschule für angewandte Kunst, Wien
1977-2004 Leitung der Bildhauerklasse an der Akademie der bildenden Künste, Wien
1993 Großer Österreichischer Staatspreis für bildende Kunst
1997 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
2003 Vertritt Österreich auf der 50. Biennale in Venedig
2004 Emeritierung als Professor
Eröffnung des Gironcoli Museums in Herberstein und der ständigen Präsentation seines Werkes im Gironcoli-Kristall des STRABAG Kunstforum Wien

Zum Werk

„Ich versuche, in Umschreibungen, in Umwegen, in der Psychologisierung der Umwelt das Menschenbild zu erfassen, weil die Darstellung, die Abbildung für mich zu wenig ergibt."1

Bruno Gironcoli schuf als Bildhauer und Zeichner mit seinen Werken einen magisch-hermetischen, rätselhaften Kunstkosmos. Werner Hofmann betitelt seine Großskulpturen als „Riesenspielzeuge“.2 In ihrer ausufernden Vielfalt immer wiederkehrender Formen sind sie gleichzeitig auch „Ausdruck einer Privatmythologie des Künstlers“.3 Auffallend ist dabei, dass die Komponenten seiner Skulpturen oftmals auf Gegenstände des Alltags referieren. Für Gironcoli selbst beinhalten diese „Dinglichkeiten“ menschliche Dimensionen und Bedeutungen. Als „Requisiten der menschlichen Existenz“4 verweisen sie für den Betrachter auf Grundthemen des Lebens: Elternschaft, Dialektik von Mann und Frau, Geburt, Eros und Sexualität, Entfremdung, Gewalt, Schmerz.

Geprägt von einem Parisaufenthalt und den Arbeiten Alberto Giacomettis entstehen in den frühen 60er-Jahren „Drahtgegenstände“, wie Gironcoli sie selbst nennt. Er bildet menschlich-körperliche Formen nach, indem er etwa die Struktur von Oberkörper oder Kopf als Drahtgeflecht aufspannt. Dabei verliert sich die menschliche Gestalt und es entsteht ein Liniengefüge aus Drähten, Halterungen und Rahmen. Dreidimensional macht dieses auch menschliche Bewegung vorstellbar. In den darauf folgenden Jahren entstehen Arbeiten, in welchen Gironcoli durch die Ausbildung von Hohlkörpern ein Menschenbild als Gegenüber zu erfinden sucht. Diese singulären Formen aus Gips, Pappmaché, Holz und Polyester ähneln stilisierten Köpfen und gestreckten, sitzenden, gebeugten oder knienden Figuren. Dabei überzieht er die billigen Materialien mit Gold-, Silber- und Kupferfarbe. Diese charakteristische Farbgebung behält Gironcoli auch für die meisten seiner nachfolgenden Skulpturen bei. Um 1968 entwickelt er eine figurative Form, in welcher er die liegenden Figuren von Fritz Wotruba weiterdenkt. In Anlehnung an eine Romangestalt von Samuel Beckett gibt er ihr den Namen Murphy. Immer wieder variiert er diese später, die Grundform jedoch bleibt gleich.

Anfang der 70er-Jahre beginnt er mit Objektarrangements den Raum großflächiger zu bespielen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Materialien und Gegenstände wirken diese wie dreidimensionale Kollagen, welche in absurden technoid anmutenden Versuchsanordnungen aufeinander bezogen sind. Entmenschlichung, Krieg, Folter und Tod sind die vorherrschenden Assoziationen, die sich beim Betrachten aufdrängen. Ende der 70er-Jahre ermöglicht ihm die Professur an der Akademie die Nutzung der riesigen Atelierräume in der Böcklinstrasse. Dort entstehen die bekannten assemblageartigen Großskulpturen mit welchen er die unterschiedlichsten Kombinationen von Ähren, Blättern, Embryos, Tellern, Schöpflöffeln, Vulvas, Trauben, Enzianen, Schnecken und Knochen ausbildet. Die einheitliche Farbgebung in Kupfer, Gold und Silber verfremdet ihr Erscheinungsbild und auch die Größe entrückt die monumentalen Plastiken der Wirklichkeit. Mit anderen Bedeutungen aufgeladen, möchte Gironcoli, dass eine Figuration „zurückverpackt“ wieder in den Kopf hineinpasse: „aus dem Kopf gekommen und wieder in den Kopf passend, nicht in das reale Leben, und zwar so, dass ihr Wirkungs- und auratischer Aspekt das reale Leben streifen oder berühren kann.“ Altarähnliche Aufbauten suggerieren etwas Symbolträchtiges, Archaisches oder Religiöses.

Papierarbeiten in Mischtechnik begleiten Gironcolis bildhauerische Tätigkeit kontinuierlich seit den 60er-Jahren. Durch die Verwendung der metallischen Farben entsteht eine Verbindung zu seinen Skulpturen. Auch die Formensprache einzelner Elemente erinnert an diese, jedoch klammert Gironcoli in den Zeichnungen den Menschen nicht aus. Immer wiederkehrend stellt er diesen als gebeugte Rückenfiguren, abgewandt von der Welt in seiner Situation gefangen, dar. Auch andere, stark vom dunklen Umriss bestimmte, Figuren abstrahiert Gironcoli. Die Darstellungen ähneln blasenförmigen Gebilden, die isoliert in das Bild gesetzt werden. Nur lose sind sie mit den anderen Bildelementen verbunden: ein rosa umhülltes Mädchen, zwei kopulierende Hunde, eine goldene Herzform, ein Bettgestell. In einer anderen großformatigen Papierarbeit konfrontiert er die zwei gelb gemalten menschenähnlichen Kreaturen mit der Form eines Kinderwagens und einem in seinen Skulpturen verwendeten Element.

Lisa Grünwald
1) „Anmerkungen zur menschlichen Figur – Auszüge aus einem Gespräch mit Bruno Gironcoli, geführt von Bettina M. Busse“, in: Bruno Gironcoli. Arbeiten von 1962-1995, Kat. Bregenzer Kunstverein, 1995. S. 11.
2) Werner Hofmann, in: Bruno Gironcoli. Die Skulpturen 1956-2008, Ostfildern 2008, S. 8.
3) Bettina M. Busse, in: Bruno Gironcoli, Kat. CFA Berlin, Berlin 2010, S. 6.
4) wie Anm. 1, S. 10.
5) Bruno Gironcoli. Die Skulpturen 1956-2008, Ostfildern 2008, S. 46.
Bruno Gironcoli1 / 4
Ohne Titel2 / 4
Porträt eines ehemaligen Schatzes3 / 4
Ohne Titel4 / 4
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