Nam June Paik

1932 geboren in Seoul, Südkorea
2006 gestorben in Miami, USA

Nam June Paik

1932 geboren in Seoul, Südkorea
2006 gestorben in Miami, USA

Persönliche Daten

1952-56 Studium der westlichen Ästhetik, Musik- und Kunstwissenschaften an der Universität Tokyo
1956 Übersiedlung nach Deutschland, Bekanntschaft mit John Cage
Übersiedlung nach New York, Bekanntschaft mit Charlotte Moorman
1977 documenta 6, Kassel
1979-96 Professur an der Kunstakademie Düsseldorf
1981 Will-Grohmann-Preis der Akademie der Künste, Berlin
1989 Kurt-Schwitters-Preis, Hannover
1991 Kaiserring der Stadt Goslar
1992 Picasso-Medaille der UNESCO
1993 Goldener Löwe für den besten Länderpavillon auf der Biennale von Venedig
1998 Kyoto-Preis
2001 Wilhelm-Lehmbruck-Preis der Stadt Duisburg
2002 der „Nam June Paik Award – Internationaler Medienkunstpreis NRW“ wird zum ersten mal vergeben

Zum Werk

„Worum es ihm seit jeher geht, vom einfachen manipulierten Schwarzweiß-Fernseher bis zur komplizierten Multi-TV-Installation, ist, unter diesem Aspekt den Fernseher, den Monitor, den Kasten mit der Mattscheibe selbst als Teil einer Skulptur begreifbar zu machen und nicht als bloßes Transportmittel für „filmische“ Inhalte.“1

Der Multimedia-Künstler Nam June Paik arbeitet an der Schnittstelle zwischen menschlicher Wahrnehmungsfähigkeit und elektronischer Reizsetzung. In Form von optischen und akustischen Signalen und Referenzen übermittelt er Sinneseindrücke, die dem Medium der digitalen Bild- und Tonwelt entnommen sind. Er beginnt seine Karriere als Komponist und Experimentalmusiker und lernt in den 1950ern John Cage kennen, der sein Musikverständnis stark beeinflusst. Anfang der 1960er Jahre schließt er sich in Deutschland mit Fluxus-Künstlern zusammen. Schon in den 1960ern vom Fernsehen fasziniert, das für ihn die Entdeckung eines endlosen Kaleidoskops von Formen und Farben auf dem Bildschirm darstellt, verändert er Ausstrahlungen zuerst mit einem Magneten und dann durch einen Videosynthesizer, den er 1969 gemeinsam mit dem Elektroingenieur Shuya Abe entwickelte. Sendeteile kann er nun in Form, Farbe und Bewegungsablauf beliebig variieren. Paik hält den Videomonitor für ausstellungswürdig und baut seit ende der 60er Jahre Videoskulpturen aus Fernsehern, die er kontinuierlich zu groß angelegten Multi-TV-Installationen ausbaut und die sich zu einer eigenen Kunstform etablieren. Die einzelnen Monitore werden in Drehungen oder Umkehrungen gegeneinander gesetzt, gespiegelt oder auf den Kopf gestellt. Paiks Zielsetzung ist die Kritik an der von den Medien gelenkten Wahrnehmung. Gegenstand der Videoinstallationen sind oft die konträren kulturellen Vorstellungen von westlicher und fernöstlicher Welt.

Die Videoinstallation der Sammlung Essl „Duet Memory“ von 1995 lässt sich sowohl als Verweis auf die Künstlerperson als auch auf sein früheres Werk verstehen. Sie besteht aus einem Klavierflügel und figurativ zusammengesetzten Monitoren. Nicht ohne Witz gestaltet Paik aus alten Fernseh- und Radiogehäusen eine Roboterfigur, die auf einem Hocker vor dem Flügel sitzt und beim Betrachter den Eindruck erweckt, als würde sie mit dem ausgestreckten Bein das Klavierpedal betätigen. In die Radioghäuse sind kleine runde oder rechteckige Bildschirme integriert und auch über der Klaviatur türmen sich 8 Fernsehapparate zu einer Pyramide und weitere 8 kleinere Monitore quellen unter dem geöffneten Klavierdeckel hervor.

Auf den TV-Geräten wird eine Flut von Bildern ausgestrahlt, die in ihrer Fülle kaum wahrnehmbar sind. Stark farbige und sehr schnell wechselnde Bilder sind in konzentrischen Kreisen oder Quadraten psychedelisch angeordnet. Ohne Ton gesendet, fließen Aufnahmen der Performances und Aktionen des Künstlers in die gezeigten Bilder ein. In der Bilderflut erscheinen immer wieder die frühen Testbilder des Fernsehens mit ihren farbigen Streifen und Klaviertastaturen, die schon fast symbolhafte Wirkung haben. Auf diese Weise wird der Fernseher zum kreativen Instrument, das dem Betrachter vor Augen führt, selbst auf gestalterische Weise in Sendungen eingreifen zu können und die von nationalen und regionalen Sendern ausgestrahlten Aufzeichnungen und Live-Sendungen kritisch zu hinterfragen.

Das Monitor-Männchen trägt einen Schal mit abgebildeter Klaviatur, rote Hosenträger und eine Armbanduhr, wodurch es eine persönliche Note erhält. Nachdem Paik bereits charakteristische Roboterfiguren von Joseph Beuys und Gertrud Stein anfang der 1990er Jahre geschaffen hatte, personifiziert sich Paik nun in dieser Videoinstallation selbst. Mit dem Klavier als Attribut nimmt Paik Bezug auf die legendären Fluxusperformances mit seinen interaktiven Klavierinstallationen, allem voran seiner ersten Einzelausstellung in der Wuppertaler Galerie Parnass (1963) „Exposition of Music – Electronic Television“ wo er das Werk „Klavier Integral“ präsentierte.

Elisabeth Pokorny-Waitzer
1) Toni Stoos und Thomas Kellein (Hrsg.), in: Nam June Paik. Video Time – Video Space, AK Kunsthalle Basel, 1991, S. 10.
Nam June Paik1 / 3
Duet Memory2 / 3
Duet Memory3 / 3
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