Neo Rauch

1960 geboren in Leipzig
Lebt und arbeitet in Leipzig

Neo Rauch

1960 geboren in Leipzig
Lebt und arbeitet in Leipzig

Persönliche Daten

1981-1986 Studium der Malerei bei Arno Rink an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig
1986-1990 Meisterschüler bei Bernhard Heisig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig
1993-1998 Assistent von Arno Rink an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig
1997 Kunstpreis der Leipziger Volkszeitung
2002 Vincent van Gogh Bi-annual Award for Contemporary Art in Europe
2005 Kunstpreis Finkenwerder
2005-2009 Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig
seit 2009 Honorarprofessor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig

Zum Werk

Verschiedenste Motivfragmente, die immer schon historisch markiert sind, fügen sich in den Bildern Neo Rauchs - dem Hauptvertreter der „Neuen Leipziger Schule“ - zu rätselhaften, allegorischen Konstellationen.

Neo Rauch, der bis Anfang der neunziger Jahre einer neoexpressiven Ausdrucksweise folgte, erarbeitete sich die Struktur, die seinen vielschichtigen Werken zugrunde liegt, in Bildern wie „Saum“ (1993), die durch ihre reduzierte Farbigkeit und dem Schwanken zwischen Abstraktion und Figuration geprägt sind. Der Bildraum wirkt wie ein archäologisches Feld, in dem sich Sichtbarkeiten und Bedeutungen - in Form der schemenhaften Motivfragmente - in einzelnen Farbschichten abgelagert und überlagert haben. Dabei handelt es sich, so Neo Rauch, um „in der Erinnerung abgespeicherte Bilder“, die der Künstler als Zeichen und Träger kollektiver Gedächtnisinhalte versteht, und in der für Erinnerungsbilder charakteristischen Fragmentierung und Verzerrung auf der Bildfläche festhält.1 Raumstrukturen, die die verstreuten Bildzeichen in einen klaren Bezug zueinander stellen würden, werden durch ein schwarzes, an ein Koordinatensystem erinnerndes Liniennetz angedeutet, gleichzeitig jedoch irritiert. Da die einzelnen Motivfragmente so als separate Verweisspuren auf Bedeutungsgehalte agieren, weicht eine einheitliche Bildaussage der Fülle an Assoziationsmöglichkeiten.

Unter Beibehaltung dieser Strukturprinzipien zeigen Neo Rauchs Werke ab 2000 noch komplexere Bildinszenierungen mit figurativ und farblich differenzierter ausgearbeiteten Motivkomplexen. So integriert „Das alte Lied“ (2006) die Betrachter in eine Bühnenszenerie mit zahlreichen Requisiten, die den Blick auf ein, von einem Vulkan bedrohtes Gelände freigibt. Ob es sich dabei um einen Landschaftsausblick oder ein Bühnenbild handelt, bleibt aufgrund der malerischen Gestaltung, die über die Auflösung von Raumgrenzen zur Irritation von Außen- und Innenraum führt, unklar. Der Kombination verschiedener Raumfelder, wie sie sich bereits im Werk „Saum“ (1993) zeigte, entspricht nun eine Schichtung von Zeitebenen, da es sich bei den dargestellten Figuren um dieselbe Personengruppe, die bereits in der Bildblase am linken, unteren Bildrand erscheint, zu unterschiedlichen Zeitpunkten handelt. Sie werden in einen Raum der Gleichzeitigkeit zusammengestellt, da Malerei für Neo Rauch als Annäherung an ein „Flechtwerk“ agiert, in das man sich „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wie eingewebt in einen gewaltigen Gobelin denken muss.“2 Durch die an eine Gewebestruktur erinnernde komplexe Überlagerung und Vernetzung von Motivfragmenten, die - Spuren der Vergangenheit gleich - Assoziationen zum Alltag der DDR bis hin zur Zeit der Romantik auslösen, gewährleisten Neo Rauchs Bilder als Allegorien eine Verbindung zwischen individueller und kollektiver Erfahrung.

Neo Rauchs Werke können dementsprechend als alternative Historienbilder verstanden werden, die nicht die Darstellung faktischer Ereignisse anstreben, sondern der malerischen Auseinadersetzung mit Mythen, wie den Utopien des Fortschritts und der Revolution, dienen. Deren Einfluss - auch auf die Geschichte der Malerei – stellt er in Werken wie „Kommen wir zum Nächsten“ (2005) oder „Revo“ (2010) zur Diskussion. Entgegen der avantgardistischen Idee des revolutionären Bruchs mit der Tradition kann man Neo Rauchs Malerei daher als eine „postmoderne“ Form der Aneignung von Vergangenheit verstehen, die Botho Strauß als „neue allegorische Lust“ im Spiel mit den „vielen ausgeträumten Ideen unseres Jahrhunderts“ charakterisiert.3

Stephanie Damianitsch

1) Werner Spies, „Im Sperrgebiet des Glücks“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 44, 2006, S. 27.
2) Neo Rauch, zitiert aus: Interview mit Neo Rauch im Metropolitan Museum of Art am 6. April 2007.
3) Holger Liebs, Im Interview: Maler Neo Rauch „Mir ist nichts mehr peinlich“, Süddeutsche Zeitung Online, 13.09.2006, ohne Seitenangabe.
Neo Rauch, 20111 / 5
Kommen wir zum Nächsten2 / 5
Saum3 / 5
Das alte Lied4 / 5
Revo5 / 5
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