Das erstmalige Zusammentreffen der beiden Improvisationsmusikerinnen Tanja Feichtmair und Nina Polaschegg wird mit Spannung
erwartet. Jede der beiden Musikerinnen reagiert individuell auf den Raum und die Architektur des Essl Museums. Beide fasziniert
die Tranformation des gemeinsam ausgespannten Klangraumes und die Bewegungsabläufe, die sich im spontanen Aufeinander-Reagieren
prozesshaft ergeben.
BIOGRAPHIEN
Nina Polaschegg studierte Musikwissenschaften, Soziologie und Philosophie in Giessen und Hamburg wo sie auch promovierte. Ihre Forschungsschwerpunkte
liegen im Bereich der zeitgenössischen komponierten, improvisierten und elektronischen Musik sowie im zeitgenössischen Jazz.
Sie lebt als freie Musikpublizistin und Musikwissenschaftlerin in Wien, arbeitet für diverse öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten
in Deutschland, Österreich und der Schweiz und schreibt für verschiedene Fachzeitschriften. Lehraufträge an der Universität
Klagenfurt. Als Kontrabassistin improvisiert sie vor allem frei, spielt aber auch komponierte zeitgenössische Musik. Zudem
widmete sie sich einige Jahre der historisch informierten Aufführungspraxis Alter Musik.
Tanja Feichtmair (geb. 1972) erhielt ihren ersten Instrumentalunterricht mit 6 Jahren auf der Blockflöte bei Christine Wagner. Klavierunterricht
bei Uta Schaden und Fridolin Dallinger. Erster Saxophonunterricht bei Hans Gringinger. 2001-Talentförderungsprämie der Stadt
Linz. 2003-Kunstförderungsstipendium des Landes Oberösterreich. Zusammenarbeit u.a. mit John Russell, Damon Smith, Gino Robair,
Roger Turner, Marco Eneidi, SPIRIT, Francesco Cusa, Weasel Walter, Gerold Mayer, Hannes Wührleitner, Michael Kreuzer,Fredi
Pröll, Uli Winter, Josef Novotny, Edwin Stöbich, Ali Belhiba, Ben Greenberg, Kjell Nordesen, Steve Adams, Jorrit Deijkstra,
Alfred Reiter etc. Lebt und unterrichtet in Ulrichsberg.
Versuch über (die eigene) Musik zu schreiben
Nina Polaschegg
Wie lassen sich konkrete Klänge integrieren, ohne zu zitieren? Wie lässt sich zitieren als loser Verweiszusammenhang verstehen?
Wie kann über lose Verweise Neues, Anderes entstehen? Wie lassen sich Klänge in Geräusche transformieren und umgekehrt? Welche
klanglichen und strukturellen Entwicklungen und Prozesse können aus solchen Transformationen entstehen? Welche Rolle spielen
dynamische und energetische Veränderungen?
Kontinuierliche Prozesse und Brüche, Irritationen verursachende Impulse.
Als ferner (?) Hintergrund: die Klanggebung der „Alten Musik“ .
Musik als dialektischer Prozess.
Tanja Feichtmair
Ich ÜBE in Bewegungsstrukturen. Mich interessiert der Raum, in dem das Bewegte seinen Ort einnimmt. In meinen Arbeiten geht
es (seit Omnixus) immer noch um Tonwanderungen, das Verschieben der Substanz(en), vor allem im imaginären Raum. Ähnlich wie
Samuel Beckett einzelne Wortbilder verschiebt und damit den Gedanken rhythmisiert. Ähnlich Francis Bacon, der die Substanz
seines Gegenstandes verschiebt, ihn dadurch de-formiert, seine Ränder dem Raum hin öffnet.
Wenn ich SPIELE, dann aber treibt mich etwas anderes. - Es ist die Sehnsucht nach etwas sehr, sehr Schönem. Dem SPÜRBAR Schönen.
Dort will ich unbedingt hin. Ich will keine (intellektuelle) Erläuterung brauchen müssen, um verständlich, zugänglich zu machen.
Was ich spiele ist weder radikal, noch um jeden Preis "neu". Der Moment, der einen trägt! - Dafür spiele ich. Neue Formen
allein oder neue Techniken sind da zu wenig. Solange die Umsetzung die Seele nicht erfasst, wenn man "es" nicht spüren kann,
-dann war es umsonst.
Nina Polaschegg
Ich lese Tanjas Text und mir fällt die kluge Beobachtung des „zweigeteilten Spiels“ auf. Üben und Reflektieren einerseits,
das Spiel auf der Bühne, vor Publikum, andererseits. Ob ich formulieren kann, warum ich spiele? Da ich ansonsten über Musik
schreibe, vielleicht fällt es mir deshalb so schwer, über mein eigenes Spiel zu schreiben? Außer dass Spiel auf der Bühne
keine Analyse in Echtzeit, keine Methodendemonstration und Materialexemplifikation vor Publikum sein soll? Sondern im Idealfall
Schönheit im Kunstsinne, Erfahrung (nein, nicht meiner selbst, sondern der Klänge im Raum im Jetzt), Erkenntnis diffuser Art.
Und hier scheinen Berührungspunkte auf zwischen Tanja und mir. Und sonst? Zwei Musikerinnen mit unterschiedlichen musikalisch-stilistischen
Backgrounds, deren Musik sich (scheinbar?) auf unterschiedlichen Energieniveaus bewegt, deren Klang- und Materialpool ein
unterschiedlicher zu sein scheint. Ist es nicht genau das, diese scheinbare Verschiedenheit, die neugierig macht, ein Experiment
des Zusammenspielens zu wagen? Sich auf eine Improvisation ohne Netz (oder zumindest, was selten genug vorkommt, einem recht
löchrigen Netz) einzulassen?
Oder ist es einfach der Mensch Tanja, der mir sympatisch ist, in dem ich einiges wieder finde von mir, wenn auch ganz anders
ausgeprägt? Ganz sicher auch!
Tanja Feichtmair
Ich mag Bass und Saxophon im Duo.
Nina spielt Bass und ich Saxophon.
Ich mag die Berge.
Und Nina mag sie auch.
Nina liebte ihren Kater.
Und ich den meinen.
Nina ist eine Frau.
Und ich auch.
Ich bin ein 72er.
Und Nina auch.
Für Nina ist Musik wichtig.
Für mich auch.
Ich schätze Ninas Art zu spielen.
Sie die meine.
Wir sind uns so ähnlich, wie wir verschieden sind.
Aber wir sind uns sympathisch - Nicht nur aufgrund unseres gemeinsamen Interesses an der Musik. Und das ist mir auch sehr wichtig.