Katharina Ernst: drums, toys
Philip Leitner: electronics, voice
Burkhard Stangl: guitars, devices
Wir betrachten die Dinge, an ihren Rändern, wir werden sie berühren. Am Rande des Zigarettenlochs ist das Papier verbrannt,
am Rande des Flusses ist die Erde nass. Und als mein Freund Frank Leuchte, ein Ostberliner Karikaturist, vor nunmehr dreißig
Jahren erstmals versuchte, seine politisch harmlosesten Blätter bei einer einschlägigen Zeitschrift unterzubringen, wurden
die Zeichnungen akzeptiert – bis auf eine; diese zeigte ein Männlein, das den Rand der Zeichnung festhielt und die Sprechblase
ausstieß: “Randhalten zahlt sich aus!” Da glauben wir immer, wir wären ganz außerhalb. Und dann stehen wir plötzlich in der
Mitte. Heilige, die im Dunkel leuchten. Wir sind immer fassungslos, wenn auch nur einer uns im Gedächtnis behält, über eine
Zeit hinaus. An den Wegrändern sprechen sie seit Jahren und Jahren heimlich über uns. Das bilden wir uns nicht ein! Ein schönes
Gefühl, in der Nacht über unsere Autobahnbrücken zu fahren, und unten strahlt es aus den Lokalen: noch mehr Menschen wie wir!
Ein heller Schein. Die Figuren, Fremde wie wir, Reisende, strömen in die Busbahnhöfe, um sich zu verteilen, von Ort zu Ort,
und wir kommen über sie wie der Regen, der zeitig in der Früh die Schuhe durchnäßt. Oder eines Tages an einer Wegkreuzung,
wo wir uns stauen, Menschenfluten. Dort ist nichts, aber es strotzt vor lauter Zeichen von uns. Nach uns kommen andre, aber
wir sind nicht nichts! Uns wird der Kopf schwer von uns. So zu fahren, das macht uns einzigartig. Da können sich noch so viele
Schienen überkreuzen, wir liegen übersichtlich vor uns und den anderen Wanderern, gute, markierte Wege. Jetzt sind wir zu
Hause und erheben uns ruhig.
Quellen: Katharina Ernst, Brigitte Sändig, Elfriede Jelinek
BIOGRAPHIEN
Katharina Ernst, geboren 1987 in Wien. Spielt seit ihrem neunten Lebensjahr Schlagzeug. Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden
Künste Wien. Sie ist Teil zahlreicher Projekte in den Bereichen Musik, Malerei, Tanz, Performance, Installation, Straßentheater
und arbeitete mit: Paul Wenninger, Oleg Soulimenko (CPA Österreich Pavillion, ImpulsTanz 2012), Burkhard Stangl, dieb13,
eRikm, Kazuhisa Uchihashi, ddkern, Susanna Gartmayer, Peter Szely, Peter Koger, Compagnie Luc Amoros (Festival Ibéroamericano
de Teatro de Bogotà 2012, Brussels Summer Festival 2011, Chalon dans la Rue 2010). Tourneen, Ausstellungen und Auftritte
in Frankreich, Belgien, Irland, Schweiz, Spanien & Kanarische Inseln, Niederlande, UK, Österreich, Kolumbien, Deutschland,
China, Türkei, Australien.
Burkhard Stangl, geboren 1960. Arbeitet in den Bereichen experimentelle Improvisation, elektronische und neue Musik. Studium der Ethnologie
und Musikwissenschaft. In den 1980ern erste Bands (Ton.Art, Die Vögel Europas) und Gitarrist bei Franz Koglmann (Monoblue
Quartet, Pipetet); in den späten 1990ern zunehmend Arbeiten in elektro-akustischen Kontexten.
Kooperationen u.a. mit Billy Roisz und Dieb13 (Trio EH), John Butcher, Didi Bruckmayr, Angélica Castelló, Kai Fagaschinski,
Christian Fennesz, Oswald Egger, Boris Hauf, Franz Hautzinger, Katharina Klement, Christof Kurzmann (Duo Schnee), Hannes Löschel,
Radu Malfatti, Wolfgang Mitterer, Donna und Ernesto Molinari, Olga Neuwirth, Robert Piotrowicz, Ursula Rucker, Gunter Schneider,
Robyn Schulkowsky, Martin Siewert, Taku Sugimoto, Taku Unami, Anna Zaradny, Werner Dafeldecker, Polwechsel (bis 2004), Manon-Liu
Winter, efzeg und The Year Of.
Kompositionen u.a. für das Klangforum Wien, Monoblue Quartet, Maxixe, Hortus Musicus, Binar und Experimentalfilme von Gustav
Deutsch (Film ist., Welt Spiegel Kino); über 50 CD-Veröffentlichungen (u.a Ereignislose Musik 1996, Récital-Gitarre Solo 1997,
Venusmond – Oper ohne Ort I-V, 2000-2004).
Publizistische Tätigkeit (Bücher: Ethnologie im Ohr; Klangnetze: Die Wirklichkeit mit den Ohren erfinden; Artikel, Essays).
Konzerte & Teilnahme an Festivals in Europa, Amerika, Asien und Afrika. Lebt und arbeitet in Wien.
Philip Leitner ist ein österreichischer Musiker und Computer-Künstler, geboren 1981 in Graz. Er benützt sowohl Klavier als auch Alltagsgegenstände
zur Klangerzeugung und kombiniert Echtzeit Computer Post-Prozessierung, Microsounds und präpariertes Klavier.
Seine Kompositionen sind von aleatorischem Wesen, seine Werke beschreibt er als Vorgangsweisen, nicht in Klängen oder Noten.
Leitner performt Solo und mit zahlreichen in- und ausländischen Künstlern unterschiedlichsten Hintergrunds. Seit 2006 betreibt
er garnison7 – Studio für musikalische und intermediale Experimente – in Wien.
Er arbeitet mit seinem Sample/Loop Framework als musikalischer Parasit auf Basis von Klängen erzeugt im Konzert oder aus dem
Publikum und formt so aus Umgebungsgeräuschen oder Musikfetzen neue Arrangements, Akzente oder Klänge.