Die Computer-Band POWERBOOKS UNPLUGGED benutzt als einziges Instrument Laptops, die sie ohne Verstärkung spielen und damit
sanfte Lautstärkenbereiche erschließen, die in der elektronischen Musik sonst selten anzutreffen sind.
Viele behaupten, dass der Laptop die neue Folkgitarre sei; wenn das so ist, dann ist POWERBOOKS UNPLUGGED die erste acoustic
computer folk band: Der Laptop ist ihr einziges Instrument. Synthesizer, Echtzeit-Soundprocessor, Netzwerkknoten, und jetzt
auch autonomes Musikinstrument mit seinem eigenem Soundsystem:
player + laptop = improviser + instrument = music.
Keine Kabel, keine PA - alles ist schon in einer mobilen Maschine integriert. Die bewusste Vermeidung von Rock'n'Roll-Anlagen,
-Lautstärken und -Bühnenästhetik hat interessante Nebenwirkungen: nachhaltige, diesseits von Tinnitus angesiedelte Lautstärke
ist Teil des Konzepts, das die Ohren von MusikerInnen und ZuhörerInnen frisch belässt und dynamische Bereiche öffnet, die
in der elektronischen Musik selten erlebt und exploriert werden.
Den Laptop als vollwertiges Musikinstrument aufzufassen bedeutet all seine Ressourcen kreativ einzusetzen: Die MusikerInnen
sind über drahtloses Netzwerk verbunden, schicken einander Code-schnipsel oder Nachrichten, und können 'ihre' Sounds über
alle Rechner räumlich verteilen, und damit eine subtile, räumlich fein differenzierte Klangwelt im Saal aufspannen. Das erlaubt
den MusikerInnen auch, sich frei im Publikum zu bewegen, und damit Konventionen der Situation Bühne/Publikum/Performer ausser
Kraft zu setzen.
Um ihre Sounds zu generieren, prozessieren, zu kommunizieren und zu spielen, verwenden POWERBOOKS UNPLUGGED selbstgeschriebene
Software auf der Basis der open source Programmiersprache SC3 (insbesondere J. Rohrhuber's JITLib); das Klangspektrum reicht
von granularen Texturen über virtuell-analoge Synthese bis zu live-prozessierten feedback sounds aus den internen Mikrophonen
- Änderungen vorbehalten.
Die Netzwerk-Struktur der gemeinsamen Instrumente und das text-basierte Interface, Code, erlauben viele Arten von inprovisierter
Interaktion: call-and-response-Spiele die mit dem gleichem Ausgangs-code beginnen und sich in divergierende Richtungen entwickeln
(von 'cadavre exquis'-Spielen zu genetischen Algorithmen mit den Ohren der SpielerInnen als Selektionskriterium); das Finden
akustischer Nischen für die eigenen Sounds in Zeit und Spektrum, die Platz lassen für die Koexistenz, was zu komplexen soundscapes
führen kann, wie sie in natürlichen Umgebungen vorkommen; über gegenseitige 'Sabotage' durch Lautstärke-Überflutung oder fein
gestimmten Rechner-Overload, bis zum Schreiben neuer Sounds im Flug, in 'live coding battles'; bei allen Formen geht jeder
Codeschnipsel an alle Mitspieler zur weiteren Modifikation.
Eine erfreuliche Implikation der Netzwerk-Architektur der Band ist das allmähliche Verschwinden des musikalischen und künstlerischen
Egos, gemeinsam mit der traditionellen Rockstar-Lautstärke. Da Instrumente und Kontrollalgorithmen konsequent 'shared' sind,
gibt es keinen Besitzer mehr; die KünstlerInnen sind nur separate musikalisch Einheiten, wenn sie das wollen; Ideen gehören
allen. Das plaziert die Arbeit der Band in den Kontext einer neuen Tradition von multi-client, multi-user Kunstpraxis. Selbst
die Anzahl der Bandmitglieder ist auch variabel, und schwankt zwischen drei und sechs oder mehr SpielerInnen, wie Wolken,
die sich je nach lokalen Gegebenheiten verdichten oder ausdünnen.
BIOGRAPHIEN
Alberto de Campo, geboren 1964 in Graz, hat Komposition und Jazz-gitarre in Graz/A und Linz/A, und elektronische Musik in Santa Barbara/USA
studiert. Er lebt in Berlin/D und Graz/A, und ist Professor fuer Generative Kunst / Computational Art am Institut für zeitbasierte
Medien an der Universität der Künste Berlin.
Echo Ho, geboren in Beijing, hat zuerst in Beijing und Hong Kong studiert, und danach audiovisuelle Medienkunst an der KHM in Köln,
wo sie lebt. In ihrer Arbeit integriert sie Akustisches und Visuelles in Projekten, die von Film über Installationen bis zu
audiovisuellen performances und Musik reichen. Sie unterrichtet Videokunst und elektronische Medien an der KHM Köln.
Hannes Hoelzl, geboren 1974 in Italien, hat Toningenieur in Graz und Audio Design in Utrecht studiert. Er arbeitet mit Live-Musik (earweego
with Echo Ho u.v.a.), Klanginstallationen (z.B. die Biennale Venedig 2001, Ausstellungen, und Museen) und Audioprogrammierung
(Institut für Sonoaviatik, Realtime Research u.a.). Er lebt zur Zeit in Köln.
Jan-Kees van Kampen, geboren in 1975 in Zetten, hat elektronische Musik und Komposition in Hilversum studiert. Er ist aktiv als Musiker, Sound
Programmer, Lehrer und Bauer. Er arbeitet für das Sandberg Institut und das Schreck Ensemble in Amsterdam. Er nimmt teil am
Kollektiv goto10.org, das sich mit FLOSS (free/libre/open source) software für die digitalen Künste befasst.
Renate Wieser ist Medienkünstlerin und -theoretikerin und lebt in Hamburg. Sie nimmt teil am Doktorandenkolleg des DFB "Automatismen: Strukturentstehung
außerhalb geplanter Prozesse in Informationstechnik, Medien und Kultur", an der Universität Paderborn. Zur Zeit arbeitet sie
an einer Kombination von Installation und Hörspiel.
Julian Rohrhuber studierte visuelle Anthropologie, Medienphilosophie und Computerkunst in Hamburg. Er arbeitete in einem Forschungsprojekt
der DFG über Medienkunst und Klang in Köln und setzt seine Arbeit im Rahmen einer Promotion an der Universtät Siegen fort.
Seine Interessen sind u.a. algorithmische Akustik, Abstraktion und Agency.