WIEN MODERN 2003

Ensemble "die reihe"

WIEN MODERN 2003

Ensemble "die reihe"
So, 09.11.2003, 19:30 Uhr

Das Schömer-Haus

Das heutige Konzert im Rahmen des Festivals WIEN MODERN widmet sich wieder einmal den besonderen akustischen und ästhetischen Eigenschaften des SCHÖMER-HAUSES, das 1987 von Heinz Tesar erbaut wurde.
Das heutige Konzert im Rahmen des Festivals WIEN MODERN widmet sich wieder einmal den besonderen akustischen und ästhetischen Eigenschaften des SCHÖMER-HAUSES, das 1987 von Heinz Tesar erbaut wurde. Das Thema Klang.Räume, das 2003 als roter Faden alle Konzertprogramme der Sammlung Essl durchzogen hat, findet damit seinen fulminanten Abschluss.

Alle an diesem Abend gespielten Werke beziehen sich – in jeweils unterschiedlicher Weise – auf dieses Generalthema:

Der estnische Komponist Arvo Pärt breitet in seinem berühmten „Fratres“ einen ruhig bewegten, zugleich aber äußerst gespannten Klangraum aus, der – obwohl auf Dreiklängen basierend – nichts mit der traditionellen Tonalität zu tun hat.

Sarunas Nakas, ebenfalls aus dem Baltikum stammend, kann als Antipode dazu gesehen werden: in „Chronon. Three Shapes of the River“ versucht er, überkommene Klangräume durch übersteigerte Expressivität und Virtuosität aufzusprengen.

Michael Mautner hingegen stellt in „FINIS AFRICAE. Rappresentatione“ vier im Raum verteilten Solisten einem homogenen Streicherapparat gegenüber. Aus dem Zusammen-wirken heterogener musiksprachlicher Schichten gewinnt er neues Terrain, wo Gegensätze nicht nivelliert werden, sondern als gleichberechtigt neben-einander koexistieren können.

Mit „Une barque sur le seuil sombre – Trauergondel“ gelangt zuletzt ein Werk des jungen Österreichers Thomas Heinisch zur Uraufführung, das im Auftrag der Samm-lung Essl für den aussergewöhnlichen Spielort des SCHÖMER-HAUSES komponiert wurde: ein von der Altflöte gesponnener Klangfaden, der im Ensemble durch vielfältige Klangechos räumlich widergespiegelt und façettenreich gebrochen wird.

Dr. Karlheinz Essl
Musikintendant des SCHÖMER-HAUSES


Programm

Arvo Pärt (* 1935)
Fratres (1977)
Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, 2 Schlagzeuger, 2 Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass

Sarunas Nakas (* 1962)
Chronon. Three Shapes of the River (1992-97)
Klarinette, Trompete, Cello, Kontrabass, Schlagzeuger, Klavier

Michael Mautner (* 1959)
FINIS AFRICAE. Rappresentatione (1998)
Klarinette, Fagott, Horn, 2 Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass

Thomas Heinisch (* 1968)
Une barque sur le seuil sombre - Trauergondel (2003)
für Altflöte, Englischhorn, Klarinette, Bassklarinette, 2 Posaunen, 2 Schlagzeuger, Harfe, 2 Violinen, 2 Violoncelli, Kontrabass
Kompositionsauftrag der Sammlung Essl
Uraufführung



Ausführende

Ensemble „die reihe“
Andreas Planyavsky: Flöte
Wolfgang Plank: Oboe und Englischhorn
Siegfried Schenner, Thomas Obermüller: Klarinette
David Seidel: Fagott
Erwin Sükar: Horn
Helmut Zsaitsits: Trompete
Wolfgang Strasser, Erich Kojeder: Posaune
Josef Gumpinger, Manfred Radner, Höfer Severin: Schlagzeug
Stephanie Timoschek: Klavier
Anna Verkholantseva: Harfe
Willem De-Swardt, Michael Snyman: Violine
Yoshiko De-Swardt: Viola
Marianne Gansch, Till-Georg Schüßler: Violoncello
Rudolf Illavsky: Kontrabass

Dirgent: Gottfried Rabl


Notizen zu Arvo Pärt

Arvo Pärt, 1935 im estnischen Paide geboren, erhielt seine musikalische Ausbildung an der Musikschule und am Konservatorium in Tallinn, wo er 1957 bis 1963 bei Heino Eller (einem Schüler Glasunows) Komposition studierte. 1958 bis 1967 arbeitete er als Tonmeister beim Estnischen Rundfunk, was ihm Gelegenheit bot, unterschiedliche Techniken, Stilmittel und ästhetische Konzepte zeitgenössischer Musik kennenzulernen. Anschließend war er als Lehrer für Musiktheorie und freischaffender Musiker in Tallinn tätig und lebte vorab von Kompositionsaufträgen für Filmmusiken. Pärt emigrierte 1980 nach Wien, der Stadt seines westlichen Verlegers, erhielt die österreichische Staatsbürgerschaft und ging 1981 als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Berlin, wo er seither als freischaffender Komponist lebt. 1983 erhielt er den Großen Kulturpreis der Estnischen Vereinigung Stockholm, 1984 ein Jahresstipendium des Österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und Kunst.

Ausgehend von tonalen Arbeiten im neoklassizistischen Stil, wandte sich Pärt schon während seiner Studienzeit dodekaphonen und seriellen Verfahren zu (Orchesterwerk Nekrolog, 1959), die ihn bald indes nicht mehr befriedigten. Einen Ausweg aus der Krise schienen zunächst Collage-Kompositionen zu bieten, von denen die signifikantesten (Cellokonzert Pro et contra, Collage über B-A-C-H, Gredo für Klavier, Chor und Orchester) in den 60er Jahren entstanden sind. Nach mehrjähriger selbstverordneter schöpferischer Abstinenz – einer Periode, in der er sich intensiv mit der Musik des Mittelalters, der Gregorianik, der franko-flämischen Polyphonie des 14. bis 16. Jahrhunderts von Machaut bis Josquin auseinandersetzte – wagte Pärt 1976 einen kompositorischen Neubeginn mit dem Klavierstück Für Alina: «Das war das erste Werk auf einer neuen Ebene. Hier habe ich diese Dreiklangslinien gefunden, meine kleinen, einfachen Regeln.»

Ein charakteristisches Merkmal seines in den folgenden Jahren (etwa in Fratres oder Tabula rasa) weiterentwickelten Kompositionsverfahrens ist die Kombination von Skalen- und Dreiklangsformen nach wechselnden, aber stabilen Mustern, die einen Zustand «angespannter Ruhe» hervorrufen. Da das so erzielte Klangbild in seiner Struktur dem des Glockenklangs ähnelt, hat Pärt diesen Stil als «Tintinnabuli-Stil» (von lat. tintinnabuli – Glöckchen) bezeichnet. Seine seither so unverwechselbar persönliche, von starker Religiosität geprägte Musik beruht auf den Prinzipien der Einfachheit, der Formstrenge, der inneren Ruhe und harmonischen Balance. Man könnte sie – verkürzt und unvollkommen – als «musique pauvre» von transzendenter Ausstrahlung umschreiben.


Aus Gesprächen und Arbeitsnotizen

«Tintinnabuli-Stil, das ist ein Gebiet, auf dem ich manchmal wandle, wenn ich eine Lösung suche, für mein Leben, meine Musik, meine Arbeit. In schweren Zeiten spüre ich ganz genau, daß alles, was eine Sache umgibt, keine Bedeutung hat. Vieles und Vielseitiges verwirrt mich nur, und ich muß nach dem Einen suchen. Was ist das, dieses Eine, und wie finde ich den Zugang zu ihm? Es gibt viele Erscheinungen von Vollkommenheit: Alles Unwichtige fällt weg. So etwas Ähnliches ist der Tintinnabuli-Stil. Da bin ich alleine mit meinem Schweigen. Ich habe entdeckt, daß es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Dieser eine Ton, die Stille oder das Schweigen beruhigen mich. Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivstem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonalität. Die drei Klänge eines Dreiklangs wirken glockenähnlich. So habe ich es Tintinnabuli-Stil genannt.»

«Man muß sich beschränken und sehr viel reduzieren sowohl in sich als auch in dem, was um einen herum ist. Und das spiegelt sich auch in der Musik. Wenn ich von einer Sache nichts weiß, dann darf ich dazu auch nichts sagen. Wenn ich aber etwas erfahren habe, und auch wenn es ganz wenig ist, dann sage ich das: ganz kurz und möglichst direkt und konzentriert, weil ich selber in dieser Konzentration bin. Deswegen sind meine Noten vielleicht nur wie Stichwörter.»

«Meine Musik kann man nur bedingt als tonal bezeichnen. Sie läßt sich nicht mit dem klassischen Begriff der tonalen Musik identifizieren. Man kann eher von einer globalen Anwendung des Dur-Moll-Dreiklangs sprechen. Am Dreiklang besticht mich die natürliche Reinheit, der Lakonismus und der Wohlklang. Wenn man von einer gewissen Mode für die Rückkehr zur Tonalität spricht, so kann man sagen, daß auch Moden nicht zufällig entstehen. Es ist wie das Ein- und Ausatmen. Man kann nicht immer nur einatmen, man muß auch ausatmen. Gott ist stärker als wir. Auch die Tonalität ist eine unbestreitbare Kraft. Die Wahrheit ist einfach, und der Weg zu ihr ist gerade. Und in meiner Musik wird dies auf natürliche Weise durch die Beständigkeit der Ausdrucksmittel verkörpert. Bevor man aufersteht, muß man sterben. Bevor man etwas sagt, sollte man vielleicht nichts sagen. Meine Musik entstand immer, nachdem ich lange geschwiegen hatte, und zwar im buchstäblichen Sinn dieses Wortes. Wenn ich vom Schweigen spreche, dann meine ich jenes ‹Nichts›, aus dem Gott die Weit erschuf. Deswegen ist, ideal gesehen, die Pause heilig. Die Stille ist uns nicht nur so einfach gegeben, sondern um uns von ihr zu nähren. Diese Nahrung ist für uns nicht weniger wertvoll als die Luft. Es gibt die Redewendung: von der Luft und der Liebe leben. Ich möchte sie abwandeln: Wenn man mit Liebe an das Schweigen herangeht, kann Musik entstehen. Oft muß ein Komponist sehr lange auf diese Musik warten. Diese andächtige Erwartung ist eben jene Pause, die mir so lieb ist.»

«Verweile,
versenke dich in die Sekunde,
halte sie fest und lebe wie in einer Ewigkeit in ihr.»



Linas Paulauskis
Notiz zu Sarunas Nakas

Sarunas Nakas, geboren 1962, ist einer der radikalsten litauischen Komponisten der Gegenwart. Gelegentlich erreicht seine musikalische Sprache Standards der neuen Komplexität, wie sie in der modernen westlichen Musik in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurden. 1985 fiel Nakas in der lokalen Musikszene zunächst durch seine elektroakustischen Kompositionen Merz-machine und Vox-machine auf. Aufgrund dieser Werke, die eine Art Hommage an den Dadaisten und «Merzkünstler» Kurt Schwitters darstellen, wurden Sarunas Nakas und seine Zeitgenossen, darunter Rytis Mazulis mit der Zwitschermaschine nach dem berühmten Gemälde von Paul Klee, von den Musikkritikern als «Die Maschinisten» bezeichnet. Viele von Nakas’ Kompositionen enthalten eine enorme Klangfülle, konzentrierte Energie und lange Spannungsbögen. Er ist besonders auf die Klangfarben bedacht und verwendet dazu unkonventionelle Besetzungen, Stimme, Artikulationen, elektronisch transformierte Klänge und digitale Programmierungen. […]

Eine der oft gestellten Fragen lautet, welchen Einfluß die politischen und sozialen Umbrüche in Litauen in den frühen 90er Jahren auf die Musik gehabt hahen. In gewisser Weise ist diese Frage naiv, insbesondere wenn wir anerkennen, daß etwa die Entwicklung technologischer Neuerungen, die in der Geschichte der modernen Musik so bedeutsam war, heute keine Bedeutung mehr hat. Ähnlich wie ihre Kolleginnen und Kollegen weltweit wählen auch die litauischen Komponisten ihre eigenen, individuellen Ausdrucksformen. Einige kompensieren so das Fehlen universaler Trends in der Musikentwicklung durch reichhaltige kulturelle, historische und emotionale Anspielungen. Das gilt insbesondere für Kutavieius, Martinaitis, Bartulis, Narbutaité. Andere legitimieren so ihr eigenes, höchst individualistisches kreatives künstlerisches Wirken (Balakauskas, Kabelis, Mazulis, Nakas) sowie die Suche nach neuen Kornmunikationsformen mit der Hörerschaft.

Der Fall des Eisernen Vorhangs hat den Ideenaustausch zwischen Ost und West anschwellen lassen. Doch hat das tatsächlich in irgendeiner Form die Musik als solche beeinflußt? Für ein Urteil ist es zu früh – in der Regel sind grundsätzliche Veränderungen in der Kunst und in jedem kreativen Schaffen erst aus einer weiteren Entfernung erkennbar. Dagegen sind die wichtigsten Veränderungen des letzten Jahrzehnts auf der Ebene des Kunstmanagements zu lokalisieren. Der offizielle Hintergrund aller künstlerischen Aktivitäten, die überwachte und völlig überbewertete Rolle des Künstlers in der Gesellschaft, die nivellierende Förderung der Künstler durch den Staat, der als Gegenleistung ideologische Loyalität erwartete, all das ist verschwunden. An die Stelle «sterbenslangweiliger» «Plenarsitzungen» der «Litauischen Sowjetmusik» oder des «Litauischen Komponistenverbandes» sind heute attraktive Festivals neuer Musik getreten, die auf großen Publikumszuspruch stoßen. Die ehemals politisierten Staatskommissionen haben neuen Initiativen der Organisatoren von Festivals, den Musikmanagern und Interpreten Platz gemacht. Heute hängen die Rolle und der Erfolg des Musikers oder der Musikerin in der Gesellschaft ausschließlich von seinen oder ihren Verdiensten und der Fähigkeit ab, sich an die neuen sozioökonomischen Bedingungen anpassen zu können, und nicht mehr von irgendeiner ideologischen Loyalität. Doch die Suche nach unserer Nische im internationalen Kontext, unter all den «Großen der Welt», welche die Trends, Moden und den Geschmack bestimmen, ist noch nicht beendet.


Michael Mautner
Notiz zu: «Finis Africae – Rappresentatione»

Der Titel bezieht sich auf eine Passage im Roman "Der Name der Rose" von Umberto Eco: Secretum Finis Africae Manus Supra Idolum Age Primum et Septum de Quatuor («Für das Geheimnis des Finis Africae drücke die Hand auf den Ersten und den Siebenten über der Vier»). Im Roman birgt die Bibliothek einer mittelalterlichen Abtei, deren labyrinthische Anordnung in geographische Bezirke eingeteilt ist, am Ende des mit Afrika bezeichneten Teils ein großes Geheimnis. Die Angst davor ist größer als die Angst vor der Sünde. Sie erzeugt schließlich Verwirrung und Mord. In meiner Komposition ist das geheime Wirken von Tönen auf das Geistliche im Menschen gemeint. Violine, Klarinette, Horn und Fagott sind im Raum verteilt. Jedes dieser Instrumente ist solistisch geführt und repräsentiert eine der Quellen der abendländischen Musik: byzantinische, hebräische und griechisch/altrömische Motive finden sich zeitgenössisch verarbeitet. Die Streicher im Vordergrund repräsentieren das aufgeklärte Musikbewußtsein: Einzeltöne verdichten sich in Intervallketten zu quasi Melodien. Dies geschieht im Wechselspiel mit von Ferne klingenden Instrumenten, deren tonale Musik das rationale System der Streicher immer mehr beeinflußt und schließlich in der Vereinigung auflöst. Die Kodifizierung der Geistlichen Gesänge im letzten Drittel des ersten Jahrtausends nach Christus brachte den Gregorianischen Choral, in dem viele Feinheiten der ursprünglichen, auch schamanischen, alten Kulturen vom Einheitsstreben des Christentums nivelliert und ausgelöscht wurden. In Ecos Roman geht es um die Kraft der Lächerlichkeit als Gefahr für die Autorität, sie wirkt tiefer und zerstört mehr als der Ungehorsam. Humor und Spiritualität sind starke Waffen im Kampf des Menschen mit dem Faktischen. Beides zu leben und dabei Unterschiedliches zu akzeptieren ist sinnvoll.

1959 geboren in Salzburg/Österreich
1978–84 Studium Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Salzburg
1979–85 Studium Komposition (bei Gerhard Wimberger) und Dirigieren (bei Bernhard Conz und Mladen Basic) an der Hochschule Mozarteum in Salzburg und weiterführende Studien bei Witold Lutoslawski, Henri Duttilleux, Hans Werner Henze und Boguslaw Schaeffer
1980–85 musikalischer Betreuer der Elisabethbühne in Salzburg
1981–84 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gluck-Gesamtausgabe
1986–93 freischaffender Komponist und Dirigent in Paris
Seit 1994 Lehrbeauftragter für «Angewandte Komposition» am Mozarteum Salzburg Seit 2001 zahlreiche Projekte in Zusammenarbeit mit dem Künstler und Designer Franz West

Konzerte und Aufführungen bei diversen internationalen Festivals: Festival in Aix en Provence, Salzburger Festspiele, steirischer herbst, Wiener Festwochen u. a. Zahlreiche Auftragsarbeiten, u. a. für das Europäische Parlament, für die Stiftung Mozarteum, die Gesellschaft der Musikfreunde Wien und den ORF. Komponist und Initiator des Multimediaprojekts Com.Media nach Dante Alighieri.


Thomas Heinisch
Notiz zu «Une barque sur le seuil sombre – Trauergondel»

Une barque sur le seuil sombre ist aus einem wesentlich kürzeren Stück hervorgegangen, nämlich Verborgene Schrift, einem Prélude für sechs Instrumentalisten. Ein Vierteljahr schrieb ich an diesem Stück: Immer wieder ändernd, verwerfend, umformend, den Klangfaden der Altflöte weiterspinnend, hat sich das Stück seine eigene Form gesucht: Zu Beginn hatte ich nie das Gefühl von «Anfang», sondern irgendwo in der Mitte zu stehen, ohne Begrenzungen wahrzunehmen.

Als im Dezember 2002 mein Vater verstarb, erwachte in mir das Bedürfnis nach Zwiesprache, in sich kreisend, still, erdschwer. Ein Anfang war gefunden, der Perspektiven auf ein Weiter eröffnet: Ein in die gedackt-dunkle Farbe des Ensembles eingeschriebener Klangfaden, der sich am Ende selbst aushaucht … eine Trauergondel – Berceuse … Nach der Uraufführung dieser Erstfassung schien es mir notwendig, das Stück einer umfassenden Revision zu unterziehen: Der erste Eingriff betraf die Besetzung: Das ursprüngliche Ensemble (Altflöte, Klarinette, Posaune, Klavier, Violine und Violoncello) wurde um mehr als das Doppelte erweitert, ohne aber die dunkle Farbe des Ensembles zu verändern: Die Bläser wurden um ein Englischhorn, eine Baßklarinette und eine zweite Posaune ergänzt, die Streicher um eine zweite Violine, ein zweites Violoncello und einen Kontrabaß. Die Klavierstimme wurde ersetzt durch eine Harfe und zwei Schlagzeuge. Das machte einige Eingriffe notwendig: Einzelne Abschnitte des Werks wurden erheblich erweitert, das ganze Stück durchzieht eine leise Schlagzeugschicht in den Bongos. Durch den größeren Klangkörper und der damit verbundenen zahlreichen Klangechos sowie der Verlängerung und der daraus resultierenden stärkeren Kontrastsetzung ergibt sich eine andere Gewichtung. War die Urfassung eine Musik für Altflöte mit Begleitung anderer Instrumente, tritt in der Neufassung eine stärkere Gewichtung des Ensembleklangs in den Vordergrund, ohne aber den Klangfaden der Altflöte zu beeinträchtigen. Daher ist Une barque sur le seuil sombre zugleich Interpretation, Kommentar, Text und Subtext von Verborgene Schrift.

1968 geboren in Wien
1985–95 Studium Tonsatz und Komposition am Konservatorium der Stadt Wien (Reinhold Portisch) Teilnahme an der Int. Salzburger Sommerakademie bei Alfred Schnittke (1990) und Friedrich Cerha (1996)
Seit 1991 Lektor bei der Universal Edition Wien
1992–95 Privatunterricht (Komposition) bei Christian Ofenbauer
1995–98 Kompositionsstudien an der Musikhochschule Karlsruhe bei Wolfgang Rihm
1996 Österreichisches Staatsstipendium für Komposition
1997 Preis des «International Rostrum of Composers» (UNESCO) in Paris für Abglanz und Schweigen
1999 Kompositionsauftrag der Erste Bank für Wien Modern
2000 Teilnahme am Kulturaustauschprogramm des «European Composers Network»
2002 Programmierung der 15. Langen Nacht der Neuen Klänge im Rahmen des Festivals Hörgänge (in Zusammenarbeit mit Roland Freisitzer); Gründung des Ensemble Reconsil zusammen mit Roland Freisitzer und Alexander Wagendristel


Ensemble „die reihe“
Das Ensemble "die reihe" ist seit 1958 ein Vorkämpfer in der Präsentation Neuer Musik und zählt zu den ersten, auf Neue Musik spezialisierten Ensembles, in Europa. Es wurde von Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik gegründet, um der Avantgarde im Musikleben Wiens ein permanentes Forum zu schaffen. Die Programme des Ensembles umfassen die wesentlichen Kammermusikwerke aller Stilrichtungen seit der Jahrhundertwende, wobei die Pflege der Wiener Schule ursprünglich besonderen Raum einnahm, sowie auch alle für das künstlerische Denken seit 1945 wichtigen Arbeiten.

Neben der Betreuung seiner Wiener Konzertreihen hatte das Ensemble schon in den frühen 60er Jahren als Österreichs Vorreiter der Avantgarde internationale Anerkennung gefunden und konzertierte seither bei allen führenden Festivals und Institutionen Europas (Wien Modern, Hörgänge Wien, Salzburger Festspiele, Wiener Festwochen, Berliner Festwochen, NÖ Donau-Festival, Holland-Festival, Warschauer Herbst, steirischer herbst, Biennalen Venedig und Zagreb, Musica Viva München, Musik der Zeit Köln, Neues Werk Hamburg, Nutida Musik Stockholm, Accademia Filarmonica Rom, usw.) sowie den USA.

Friedrich Cerha, HK Gruber - seit 1983 der künstlerische Leiter des Ensembles, Arturo Tamayo, Dennis Russell Davies, Maria Bonaventura, John Cage, Nicholas Cleobury, Ernst Krenek, Mathias Rüegg, Kurt Schwertsik, Giuseppe Sinopoli, Stefan Soltesz, Erich Urbanner, Kasper de Roo, Ernst Theis, Henry Brant, Peter Keuschnig, Robert Lehrbaumer, Peter Rundel, Erwin Ortner, Gottfried Rabl, Johannes Kalitzke u.a. ergänzen die Liste der Dirigenten, des zum größten Teil aus Musikern des RSO - Wien bestehenden Ensembles.

Als Solisten seien unter anderem Edita Gruberova, Maurizio Pollini, Alfons & Aloys Kontarsky, Ernst Kovacic, Thomas Larcher, Timna Brauer, Mihaela Ursuleasa, Barbara Hölzl, Alexander Jenner, Marjana Lipovsek, Thomas Christian,Christine Whittlesey, Dennis Russell Davies, Marie-Thérèse Escribano, Ernst Kovacic, Julie Moffat, Edith Lienbacher, Thomas Larcher, William Pearson, Robert Lehrbaumer, Wolfgang Schulz, Hans Kann, Ludwig Streicher, Otto M. Zykan, HK Gruber, Mia Zabelka und Heinrich Schiff genannt.
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