Ich erzähle in meinen Bildern Geschichte, um zu zeigen, was hinter der Geschichte ist. Ich mache ein Loch auf und gehe hindurch.
Anselm Kiefer
Agnes und Karlheinz Essl setzen sich seit vielen Jahren mit dem Werk des deutschen Künstlers auseinander, haben ihn auch immer
wieder in seinem Atelier besucht. In den letzten zehn Jahren konnte das Sammlerpaar eine große Anzahl bedeutender Werke erwerben.
Die Ausstellung gewährt einen persönlichen Blick des Sammlers auf Kiefers Oeuvre, erstmals werden alle seine Werke aus der
Sammlung Essl einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Für Anselm Kiefer (geb. 1945 in Donaueschingen, Deutschland) spielt die Auseinandersetzung mit dem Erinnern, dem Gedächtnis,
besonders auch mit der Vergänglichkeit und dem Vergessen eine eminent wichtige Rolle. Mit seinen oft raumgreifenden Arbeiten
möchte er Zeit erlebbar machen. Die großformatigen, antiheroischen Natur- und Historienbilder mit zerfallenen Monumenten,
verwilderten Plätzen und morbiden Landschaften zeigen eine von der Vergangenheit zerfressene, zerstörte Gegenwart. Gegen die
Leere setzt Kiefer Namen in ungelenker Schreibschrift, Namen von Orten, von Göttern, von Personen, gelegentlich ganze Gedichtzeilen
etwa von Ingeborg Bachmann oder Paul Celan.
Die Werke der Ausstellung spiegeln verschiedene bedeutende Grundthemen des Künstlers wider. Das monumentale Werk „Horlogium“ (Sternenfall) steht am Beginn der Sammlungstätigkeit und lässt zusammen mit der „Skulptur mit Sternen“ an den Kosmos oder auch die kosmische Dimension unserer Existenz denken. „Für Paul Celan“ verweist auf Celans Gedicht „Die Todesfuge“, auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und den Holocaust.
Auch in den neuen Arbeiten bezieht sich Kiefer auf literarische Texte. Der Titel der Arbeit „tonend wie des Kalbs haut die
Erde“ ist einem Gedicht von Friedrich Hölderlin entlehnt. Über der verbrannten Erde baut sich eine Berglandschaft auf, ein
Stethoskop scheint den Klang der Erde nachzuspüren. Die Textzeile „Nur mit Wind mit Zeit und mit Klang“ stammt hingegen von
Ingeborg Bachmann. Eine aufgewühlte Wolken- und Seelandschaft erinnert an Gustave Corbet, im oberen Bildteil erscheint ein
Buch aus Blei, ein häufig verwendetes Motiv Kiefers, Sinnbild für einen kollektiven Errinnerungsspeicher der Menschheit.
In den Materialbildern verwendet Kiefer Sand, Erde, Lehm, Asche, Haare, Samen, Draht, Zweige im Gipsmantel oder auch Textilien.
Organische Materialien wie auch das Krustige, Zerbröselnde der Malerei versinnbildlichen, dass auch ein Kunstwerk vergänglich
ist, dass Veränderung und Zerfall ein immanenter Bestandteil des Lebens sind.
Ausstellungsorganisation: Günther Oberhollenzer, Anna Szöke